400 Prozent mehr Kleider als vor 20 Jahren kaufen wir als Gesellschaft mittlerweile. Und das, obwohl die Auswirkungen von Fast Fashion den allermeisten klar sein dürften: Unsere Umwelt leidet massiv.
Doch es gibt weitere Folgen, die bislang nicht so bekannt sind – die für unsere Psyche.
Viele wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es zwar noch nicht, dafür aber Expertinnen und Experten, die sich für mehr Forschung starkmachen. Eine davon ist Dawn Karen, Modepsychologie-Professorin am Fashion Institute of Technology in New York. Hier erklärt sie einige Mechanismen von Fast Fashion.
1. Darum kaufen wir's, obwohl wir die Konsequenzen kennen
Dass wir Zara, H&M und Co. vertrauen, hat unter anderem mit sogenannten Heuristiken zu tun. Kurz gefasst sind das unbewusste, kognitive Strategien, dank denen wir Entscheidungen treffen können, ohne lange abwägen zu müssen.
Wenn wir einen Fast-Fashion-Shop betreten, weiss unser Unterbewusstsein schon: Der Laden ist immer ähnlich aufgebaut, wir haben dort früher gute Teile gefunden. Die Kleidungsstücke sind zwar trendy, aber immer als Brand erkennbar. Wir wissen, was wir kriegen. Wir haben Vertrauen – und sind rasch bereit, zu investieren.
2. Darum kaufen wir mehr, als wir wollen
Marken erhalten die Vertrauenswürdigkeit auch, indem sie beim Shoppen direkt diverse Sinne und positive Emotionen triggern. «Gerüche haben den kürzesten Weg von den Rezeptoren in unserer Nase zu dem Teil des Gehirns, der für ihre Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Untersuchungen zeigen, dass Düfte wie Zimt oder Vanille, dafür sorgen, dass ich mich einer Marke verbundener fühle, weil sie Vertraulichkeit und Wärme suggeriert», so Modepsychologin Karen.
«Natürlich spielt auch das Merchandising im Shop eine Rolle: Wenn man verschiedene Produkte nebeneinander ausstellt, bedeutet das, dass sie zusammengehören, sodass man vielleicht das ganze Set kauft und nicht nur einen Artikel.».
3. Darum ist die Reizüberflutung beabsichtigt
Vielleicht ist es Ihnen beim Shoppen in Zara & Co. auch schon aufgefallen: Der Bass dröhnt, die Deko glitzert. Diese vielen sensorischen Elemente in den Läden kitzeln unsere Neugierde: «Unser Gehirn schenkt nämlich vor allem den Dingen Aufmerksamkeit, die auffällig und neu sind», erklärt die Expertin. Neu bedeutet in Hirnsprache «anders», sprich: Wir wollen es erkunden, weil die Reize (wohldosiert) uns in Kauflaune versetzen.
Ob wir darauf anspringen, hängt aber davon ab, wie sensibel wir auf Düfte oder Lautstärke reagieren. «Manche drehen auf der Schuhsohle um, wenn die Vanillearomen zu stark sind», so die Expertin.
4. Und darum wollen wir trotzdem immer noch mehr
«Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass sich beim Schnäppchenkauf, sowohl im Laden als auch Online, unsere Neurotransmitteraktivität verändert.»
Das Belohnungszentrum im Gehirn wird aktiviert und Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist ein Wohlfühl-Neurotransmitter - doch er wird auch mit der Entwicklung von Suchtverhalten in Verbindung gebracht wird. Samt Drogenrausch und Koffein.
Der «Shopping-Kater» kommt dann, wenn man die gekauften Dinge nicht benutzt. «Die erste tolle Jacke macht einen noch glücklich. Wer aber Dinge kauft, er oder sie gar nicht braucht und die direkt irgendwo im hintersten Eck des Schranks landen, fällt der Dopaminspiegel schnell wieder ab. Die Spirale beginnt von vorne», so die Expertin.