Rund 8’000 Teilnehmer, 166 Kilometer Strecke, knapp 10’000 Meter Höhenunterschied. Allein die Zahlen sind beeindruckend. Die Rede ist vom Ultra-Trail du Mont Blanc, einem Marathon rund um den Mont Blanc. Der Lauf findet jeden Sommer statt und führt durch drei Länder: Italien, Frankreich und die Schweiz. «Dieser Trail lässt mich jedes Jahr zittern», sagt Patrick Basset.
Basset ist Arzt und kommt aus Frankreich. Selbst ist er die Strecke noch nie gelaufen, aber er ist jedes Jahr mit dabei, um die Athleten medizinisch zu versorgen. Eine logistische Herausforderung, meint Patrick Basset: «Man ist weit weg von allem: keine Strassen, keine Kliniken und auch das Handynetz funktioniert nicht überall.»
Risiko für die Gesundheit
Patrick Basset ist Experte für Extremsport. Er erforscht, was die extreme Anstrengung mit den Athleten macht. Wer zu wenig oder zu viel trinkt und wer Muskelentzündungen zu lange ignoriert, riskiert ernsthaft seine Gesundheit.
Zudem nimmt die Mehrheit der Läufer entzündungshemmende Medikamente, etwa Ibuprofen. Das erschwert die Arbeit für Mediziner wie Basset. «Die wenigsten wissen, dass diese Medikamente alles andere als harmlos sind.»
Nierenversagen kann zum Tod führen
Das Problem: Beim Sport wird der Körper der Athleten stark belastet. Die Niere muss viel arbeiten, um Abfallstoffe abzubauen, die während des Sports anfallen. Entzündungshemmende Medikamente belasten die Niere zusätzlich. Schmerzen und Muskelüberlastung mit solchen Mitteln zu kompensieren, kann gefährlich sein. «Wenn ein Athlet solche Medikamente einnimmt, kann das zum Nierenversagen bis hin zum Tod führen.»
Die meisten Athleten sind überrascht, wenn Patrick Basset sie aufklärt: «Die Athleten sagen mir, dass ihr Arzt ihnen die Medikamente mitgegeben hat. Zudem seien die Medikamente frei verkäuflich – wie können sie gefährlich sein? Diese Einstellung ist problematisch!»
Nur scheinbar harmlos
JedesJahr müssen er und seine Kollegen etwa 25 Teilnehmer des Ultra-Marathons ins Krankenhaus einliefern – unter anderem, weil Athleten frei verkäufliche Medikamente eingenommen haben, ohne die Risiken zu kennen.
Für Patrick Basset ist klar: «Prophylaktische Medikation hat beim Extremsport nichts zu suchen.» Auch wenn ein paar Tabletten Entzündungshemmer noch kein Doping seien, müsse man dagegen angehen. Es gilt, die Athleten aufzuklären, damit sie sich nicht selber schaden. «Extremsportarten, wie der Ultra-Trail am Mont Blanc, sind noch jung und vergleichsweise sauber. Wir müssen dafür sorgen, dass es so bleibt.»
Medikamente bei Bergwanderern
Anders als bei Extremsportlern ist der Einsatz von Entzündungshemmern bei Bergwanderern weniger problematisch. Dafür zeigen Studien, dass ein anderes Medikament häufig eingenommen wird: Diamox. Höhenmediziner Urs Hefti erklärt: «Diamox ist ein Mittel aus der Augenheilkunde. Es hilft aber auch dem Körper, sich an die Höhe zu gewöhnen.»
Viele Ärzte verschreiben Diamox von vornherein, wenn jemand ein Höhentrekking plant. Einer Studie zufolge nimmt in Nepal einer von vier Bergtouristen das Medikament ein. Diamox kann den Augen-, Hirn- und Blutdruck senken. Das mildert die Symptome der Höhenkrankheit. Menschen, die sonst wegen der Höhenkrankheit umkehren mussten, können so weiter aufsteigen.
Wo ist die Grenze zum Unlauteren?
Ist das schon Doping? «Nein», findet Urs Hefti, «die Leistungssteigerung unter Diamox ist im tiefen Prozentbereich. Es ist fraglich, ob man wirklich besser läuft.»
Zu Doping zählt Urs Hefti andere Substanzen, etwa Amphetamine. Diese Medikamente steigern tatsächlich die Leistung. Hefti und seine Kollegen haben aber bei Bergsportlern kaum Amphetamine nachweisen können.
Urs Hefti plädiert für eine entspanntere Diskussion in der Bergsportszene. Wenn Bergsportler Medikamente schlucken, um Höhe und Anstrengung besser zu bewältigen, dann sei Ehrlichkeit wichtig. «Sportler sollten dazu stehen und sagen: ‹Schaut her, ich habe Diamox genommen. Ich geniesse die Berge trotzdem.›»
Entspannung und Entstigmatisierung
Die Stigmatisierung der Medikamente diene niemandem: Weder den Bergsportlern, die im Geheimen die Medikamente vielleicht falsch dosieren, noch den Bergmedizinern. Die Ärzte müssen wissen, was ein verunglückter Bergsportler zu sich genommen hat. «Sonst können wir nicht helfen», so Hefti.