Sie lebt 36 Mal so lang wie eine Arbeiterin und hat bis zu 50'000 Nachfahren, während sämtliche Arbeiterinnen ihr kurzes Leben lang kinderlos bleiben: Die Bienenkönigin scheint kaum etwas mit ihren Arbeiterinnen gemein zu haben.
Dabei sind Königin und Arbeiterin in den ersten Tagen ihres Lebens noch absolut identisch. Nichts unterscheidet eine Königinnen- von einer Arbeiterinnenlarve.
Das gleiche Prinzip wie beim Menschen
Was dann allerdings geschieht, hat auch viel mit der menschlichen Vererbung zu tun: Die Bienenkönigin zeigt exemplarisch, wie Umwelteinflüsse die Gene steuern – bei Tieren, Pflanzen und uns Menschen. Das relativ neue Forschungsfeld, das sich damit befasst, ist die Epigenetik.
Im Fall der Bienen werden die Königinnenlarven im Gegensatz zu den Arbeiterinnenlarven ausschliesslich mit Gelée royale gefüttert – einem Futterbrei, den die Arbeiterinnen bereitstellen. Dieser löst einen epigenetischen Prozess aus.
Bei den Arbeiterinnen werden gewisse Gen-Abschnitte über sogenannte epigenetische Marker ausgeschaltet. Bei der Königin bleiben diese dank der Fütterung mit dem Gelée royale aktiv. Sie entwickelt sich daher völlig anders.
Wenn Hungersnöte Übergewicht auslösen
Auch bei uns Menschen kann die Umwelt die Gene steuern. Wie gross der Effekt ist, ist in der Fachwelt noch umstritten. Erste Forschungsergebnisse geben aber etwa Hinweise darauf, dass Menschen, die Hungersnöte überstanden haben, die Folgen davon epigenetisch weitervererben.
So waren die Kinder und Kindeskinder von holländischen Müttern, die im zweiten Weltkrieg eine Hungersnot erlebt haben, oft krank und übergewichtig.
Dass sich das Aussehen von eineiigen Zwillinge im Verlaufe ihres Lebens oft immer stärker unterschiedet, erklären die Epigenetik-Forscher ebenfalls mit dem Einfluss der Umwelt auf die Gene.
Stress und Gifte prägen noch Generationen
Tierversuche zeigen, dass auch Stresserfahrungen in Form von Depressionen an nachfolgende Generationen weitervererbt werden können.
Kontakt mit Pestiziden hatte bei Mäusen epigenetisch vererbte Spermiendefekte zur Folge: Über mehrere Generationen – und auch wenn die Nachfahren keinen Kontakt mit Pestiziden hatten.
Noch viele offene Fragen
Welche Macht die Epigenetik hat, ist Gegenstand vieler Studien. Klar ist, dass ein grosser Teil der epigenetischen Marker, die Abschnitte von Genen ausschalten können, bei der Befruchtung gelöscht werden.
Doch es gibt immer mehr Hinweise, dass über den Genen eine Ebene sitzt, die diese steuert – und dass diese Steuerung stark abhängig ist von unserer Umwelt. Davon, was wir essen, was unsere Eltern gegessen haben, wie und in welcher Umgebung sie gelebt haben.
Das scheint für Bienenköniginnen ebenso zu gelten wie für uns Menschen.