Am 22. August 1888 versuchen zwei Wanderer im Osten des Osmanischen Reiches einen Berg zu besteigen. Ihren Aufstieg beginnen sie in der Nähe der Stadt Sulaimaniyya im heutigen Irak. Aber die beiden kommen nicht weit.
Ein Meteorit, ein Steinbrocken aus den Tiefen des Alls, dringt in die Erdatmosphäre ein. Auf den ersten Blick wirkt er wie eine Art überdimensionale Sternschnuppe, ein Feuerschweif am Himmel.
Steiniger Regen
Die Bewohner der Region beobachten das Phänomen – aber vor mehr als 130 Jahren wussten sie nicht, was sie da sahen. «Die Menschen sprachen von einem Stern, der vom Himmel gefallen sei», erklärt Ozan Ünsalan von der Physikabteilung der Ägäis-Universität im türkischen Izmir. «Andere berichteten, es habe Steine vom Himmel geregnet.»
Der Physiker hat sich alte Quellen angesehen, vor allem solche in staatlichen türkischen Archiven. Und die belegen: Ein Meteorit hat sich dem Erdboden genähert, der noch in der Luft auseinander geflogen ist. Nach dieser Explosion sind seine Trümmerteile zu Boden gestürzt.
Zweifelhafter Ruhm
Die beiden Männer befanden sich noch am Fusse des Berges. Beide wurden von den Bruchstücken des Meteoriten getroffen. «Gemäss den Quellen war der eine sofort tot und der andere wurde schwer verletzt», bilanziert Ünsalan.
Es wäre der erste Fall eines Meteoriten-Toten in der Geschichte. Zwar gibt es auch andere Berichte über Menschen, die angeblich von Meteoriten getroffen wurden. Aber nicht alle sind seriös und Todesopfer gab es dabei nie.
Volltreffer aus dem All
Was aus dem Wandergefährten wurde, ist nicht näher überliefert. «Es gibt keine detaillierten Angaben zu seiner Verletzung», erklärt Ünsalan. Die Wissenschaftler hätten nur eine Formulierung gefunden, die im Türkischen so viel bedeutet wie «bewegungsunfähig» oder «schwerverletzt». Deswegen glauben sie, dass der zweite Mann nach dem Vorfall gelähmt war.
Die Überreste des Meteoriten müssen beide Männer getroffen haben – was nicht verwundert, wenn man bedenkt, dass er noch auf seinem Flug in Tausende von Stücken zerborsten ist, von 100 Gramm bis zu einem Kilogramm schwere Teilchen.
Meteoritenschauer über Getreidefelder
Danach hat er seinen Zerstörungskurs offenbar noch fortgesetzt. Weiter östlich gab es einige Dörfer. Dort sollen die Überreste des Meteoriten einige Getreidefelder vernichtet haben.
«Ein einzelner Brocken kann nicht solche ausgedehnten Zerstörungen anrichten und ganze Felder verwüsten», gibt Ünsalan zu bedenken. Er müsse daher explodiert sein. «Wahrscheinlich sind seine Trümmerteile in einem elliptischen Gebiet von mehreren Dutzend Kilometern Ausdehnung zu Boden gegangen.»
Zeitzeugen gesucht
Derzeit sucht das Team um Ozan Ünsalan nach weiteren Quellen. Seine Hoffnung liegt darauf, im archäologischen Museum von Istanbul sogar auf Überreste des Meteoriten zu stossen. Denn dort gibt es eine umfangreiche Sammlung von Steinen zwischen 100 Gramm und einem Kilo Gewicht.
Ziel der Wissenschaftler ist es, die Bahn des Meteoriten zurückverfolgen und dann zu berechnen, wo der Brocken aus dem All einst herkam – und von wo aus der «steinige Regen» seinen Anfang nahm.