Unsere Spezies – den Homo sapiens – gibt es seit rund 300’000 Jahren. Vom afrikanischen Kontinent aus entwickelten wir uns, um die Welt und all ihre Lebensräume zu erobern. Bevor es so weit kam, «wohnten» wir Menschen archäologischen Funden zufolge vor allem in der afrikanischen Savanne oder in offenen Wäldern.
Aber nicht nur: Denn schon vor 150’000 Jahren lebten wir auch im Regenwald. Viel früher, als alle bisherigen Funde es vermuten liessen.
Alte Fundstätte neu datiert
Beweise dafür liefert das Team um Eleanor Scerri vom Max Plank Institut für Geoanthropologie in Jena.
Scerri untersucht die Ausgrabungsstätte Bété I in der Elfenbeinküste mit neuen Methoden. Bereits zwischen 1982 und 1993 wird dort fleissig gegraben. Damals findet eine ivorisch-russische Mission Beweise, dass dort Menschen gelebt und Steinwerkzeuge wie Spitzhacken hergestellt haben. Wissenschaftliche Daten, um das Alter der Funde zu präzisieren, fehlten aber.
2020 reist Scerri in die Elfenbeinküste und sammelt Proben aus der «alten» Fundstätte. Gerade noch rechtzeitig: Wenig später wird das Gebiet durch Bautätigkeit zerstört.
Mittels verschiedener neuer Datierungsmethoden, darunter optisch-stimulierter Lumineszenz und Elektronenspin-Resonanz, kommt sie auf das Ergebnis von rund 150’000 Jahren. Es ist der früheste Beweis, dass es an dieser Stelle Menschen gegeben hat.
Untersuchungen von Pflanzenresten und Pollen des Fundorts bestätigen ausserdem, dass die Region ein tropischer, feuchter Laubwald war. Regenwald also, der lange als unbewohnbar galt, zumindest für unsere Vorfahren.
Kein einziger Geburtsort, kein einziger Lebensraum
Bis vor kurzem herrschte die Ansicht vor, dass Menschen aus einer einzigen Population aus einem Gebiet Afrikas stammen – also aus einem einzigen Lebensraum.
Die ältesten menschlichen Fossilien in Afrika wurden in Grasland- und Savannen-Gebieten gefunden, was unsere Vorfahren mit solchen Umgebungen in Verbindung bringt. Neue Erkenntnisse aber widersprechen der Idee eines einzigen «Geburtsorts» der Menschheit. Mehrere Regionen und Ökosysteme sollen in der frühesten Vorgeschichte unserer Spezies eine Rolle spielen.
Wieso nicht Regenwald?
Der Regenwald schien nach herkömmlicher Ansicht als eine Art «unbewohnbar» für die frühen Jäger und Sammlerinnen. Dort hätten sie keine freie Sicht zum Jagen gehabt, und aus den verfügbaren Süsskartoffeln und Früchten zu wenig Kohlenhydrate und Fette für die Ernährung gewinnen können.
Letzteres ist widerlegt, aber die Vorstellung der einst unbewohnbaren Regenwälder konnte sich halten. Auch, weil man in Afrikas Regenwäldern keine menschlichen Spuren gefunden hat, die älter als 18’000 Jahre sind. Einzig in Asien und Ozeanien gibt es Hinweise auf menschliches Leben im Regenwald vor rund 70’000 Jahren.
Flexibler als angenommen
So vermuten manche, dass die frühen Menschen nicht die nötigen Innovationen entwickelten, um sich an die Umgebung anzupassen. Andere spekulierten, dass es alte Beweise für Menschen im Regenwald gebe, sie aber noch nicht gefunden wurden.
Solche Beweise wurden nun also gefunden. Sie zeigen eine gezielte Besiedlung feuchter Tropenwälder durch Menschen zu sehr frühen Zeiten. Und sie sind ein weiterer Beweis, wie gut sich die Menschen schon früher anpassen konnten.