Im Zoologischen Museum der Universität Zürich steht eine riesige Glassäule randvoll mit Pillen. 96’000 Stück sind es genau. So viele Dosen Antibiotika werden in der Schweiz täglich von Menschen geschluckt - die Antibiotika in der Tierzucht sind nicht mitgerechnet.
Die Glassäule weist auf ein Problem hin, das die WHO als eine der zehn grössten Gefahren für die Menschheit einstuft: Der hohe Einsatz von Antibiotika führt zu Resistenzen. Daran kann die Ausstellung das Tempo von evolutiven Prozessen aufzeigen.
«Bakterien teilen sich durchschnittlich alle 20 Minuten. Das heisst, sie können alle 20 Minuten ihre Gene verändern», erklärt die Mikrobiologin Vera Vollenweider, die an der Universität Zürich zu Antibiotikaresistenzen forscht.
Durch das hohe Teilungstempo kommt es oft zu Mutationen. Vorteilhafte Eigenschaften können sich durchsetzen.
Wenn Antibiotika im Spiel sind, steigt der Selektionsdruck: «Da Bakterien alle 20 Minuten die Möglichkeit haben, sich zu verbessern, kreieren sie Resistenzen», so Vollenweider.
Beispiele für Evolution im Schnelldurchlauf
Wie schnell sich Evolution in Bereichen abspielen kann, die mit blossem Auge nicht sichtbar sind, erleben wir derzeit am Beispiel der Corona-Pandemie. Doch die Mutationen des SARS-CoV-2-Virus spielen überraschenderweise keine Rolle im Zoologischen Museum.
Dies liege daran, sagt die Museumsleiterin Isabel Klusman, dass die neue Sonderausstellung auf vier Forschungsprojekte der Universität Zürich fokussiert. Es sind Projekte, die besonders anschaulich zeigen, wie sich Evolution in der Pflanzen- und Tierwelt beobachten lässt.
«Wir möchten mit der Ausstellung bewusst machen, dass Evolution ein wichtiger Grundlagenprozess in der Biologie ist und uns alle betrifft», so Isabel Klusman.
Die neue Sonderausstellung richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, aber auch Erwachsene sind gut gefordert. Zwar hilft es, wenn man schon einmal etwas von natürlicher Selektion gehört hat. Doch die meisten Beispiele sind auch ohne Darwin verständlich. Bei der Wissensvermittlung helfen kurze Texte, Grafiken und interaktive Spiele, wie zum Fall der Pazifik-Feldgrillen.
Natürliche Selektion, einfach erklärt
Auf einer Leinwand krabbeln zirpende und stumme Feldgrillen-Männchen durch eine Dschungellandschaft. Die zirpenden Männchen können sich besser vermehren, denn sie sind für die weiblichen Feldgrillen besonders attraktiv.
Doch das ändert sich, als eine parasitische Fliege auftaucht, die gerne ihre Eier auf Grillen-Männchen ablegt. Pech für die lauten Männchen, denn sie werden von den Fliegen leichter entdeckt und gehen an den Larven zugrunde. «Die Grillen, die am Anfang einen Nachteil hatten, weil sie keinen Lärm von sich gaben, haben jetzt auf einmal einen Vorteil, weil sie überleben», erklärt Klusman.
Ein Beispiel, das zeigt, wie natürliche Selektion funktioniert und eine Population verändern kann. Die Erkenntnis, die nach dem Besuch der Ausstellung bleibt: Evolution ist kein absichtlicher Prozess – sie geschieht ständig, vor unseren Augen. Und manchmal, in der Medizin oder in der Landwirtschaft, mischelt auch der Mensch kräftig mit.