Das Wichtigste in Kürze
- Die Grotte Lascaux in der Dordogne ist einer der bekanntesten und prächtigsten Fundorte für Felsmalereien aus der Steinzeit.
- Weil die vielen Besucher der Höhle schaden, wurde nun mithilfe modernster Computertechnik unweit von Lascaux eine originalgetreue Kopie erstellt.
- Bei der Besichtigung der Lascaux-Kopie vergisst die Besucherin beinahe, dass es sich nicht um das Original handelt.
Ins Staunen versetzt
Mit ihren prächtigen, etwa 18'000 Jahre alten Felsmalereien hat die Grotte von Lascaux allen Besuchern den Atem verschlagen. «Wir haben nichts Neues gelernt», soll Picasso gesagt haben. Der Schriftsteller Georges Batailles staunte über das «Wunder von Lascaux», andere über die «Sixtinische Kapelle der prähistorischen Kunst».
Nun eröffnet in der Dordogne eine Kopie der Steinzeithöhle.
Mithilfe Lasertechnologie wurde ein Computermodell erstellt, mit dem sich Form, Volumen und Wandmalereien der Grotte originalgetreu abkupfern liessen. Überhaupt strotzt das künftige «Zentrum für Höhlenmalerei» vor modernster Technologie, erweiterter Realität und raffinierten Videoprojektionen.
Ein Hund führte zum Fundort
Das Faksimile ist in einem lang gezogenen grauen Bau untergebracht, wie eine Felskante fügt er sich in einen natürlichen Abhang ein. Der Besuch beginnt im Freien, auf dem Flachdach. Von dort schweift der Blick über die hüglige Landschaft, in der die Höhlenmaler vor rund 18’000 Jahren gelebt und gemalt hatten.
Ein schmaler Weg führt die Besucher zwischen der Aussenmauer und einer Schneise im Hügel hinab zum versteckten Eingang. Insekten zirpen, ein Junge ruft, ein Hund bellt ... Die Geräusche erinnern daran, dass die Grotte Lascaux im September 1940 von vier Jugendlichen entdeckt wurde, die ihren Hund suchten.
Innen ist die Luft kühl und feucht wie in einer echten Grotte. Die Besuchergruppen – maximal 30 Personen – werden stets von einem Führer begleitet. Diesmal geht der Archäologe Jean-Pierre Chadelle voran.
Punkte verraten Pinselstriche
Der erste Saal ist üppig bemalt: Zu beiden Seiten sind grosse Auerochsen zu sehen, ausserdem Wildpferde und Hirsche. Die Wände mit den Zeichnungen sind mit denen von Lascaux identisch. Die Pigmente hätten ihre kräftigen Farben bewahrt, so der Archäologe Pierre Chadelle.
Er redet sich in Begeisterung, als stünde er in der echten Höhle, wo er früher selbst geforscht hat: «Wir können die Maltechniken erkennen. Um etwa die Schnauze und das flauschige Fell an der Kehle des Stiers abzubilden, wurde die Farbe auf die Wand geblasen.» An den kleinen Punkten sehe man sogar, in welche Richtung der Stift gedreht wurde.
Ein Zehntel aller Felsbilder
Der Saal mündet in einen schmalen Gang, eine Sackgasse. Auch hier sind die Wände mit Rindern, Pferden, Hirschen und Steinböcken ausgeschmückt. Plötzlich öffnet Chadelle eine Tür, führt uns durch eine schwarze Schleuse in den zweiten Teil der Grotte: So wird verhindert, dass die Gruppe kehrt machen muss. Man hätte es fast vergessen: Wir gehen durch eine Kopie.
Der nächste Saal wirkt fast nackt. Auf dem Kalkstein haften die Pigmente schlecht und sind schwerer zu erkennen. Ausgerechnet hier haben die Forscher besonders viele Ritzbilder gefunden. Nämlich etwa ein Zehntel aller Höhlenbilder weltweit, sagt Chadelle: «Zehn Prozent allein in dieser Grotte – das zeigt, wie wenig uns von diesen Gemeinschaften geblieben ist.»
Die Grotte atmet auf
Wer die Zeichnungen nicht entziffern kann, dem gibt ein Ausstellungsraum gleich im Anschluss an das Faksimile Nachhilfe: Einzelne Felsmalereien wurden dort in Augenhöhe gehängt, ultraviolettes Licht lässt die Ritzbilder aufleuchten.
Das neue Ausstellungszentrum ist ein hervorragendes pädagogisches Mittel, um Wissen über Höhlenmalerei zu vermitteln. Der echten Grotte von Lascaux geht es übrigens «verhältnismässig gut», so die Auskunft der Konservatorin: Ihr Zustand habe sich stabilisiert.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 09.12.2016, 17:15 Uhr