Die Jagd endete in der Herrentoilette. Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, wollte zwei Hehler in der Hotelbar des Basler Hilton Hotels dingfest machen und der Polizei übergeben.
Doch das Bar-Klo, von wo aus Meller die Polizei über das Treffen informieren wollte, lag im Untergeschoss.
Sprich: Es gab keinen Handy-Empfang. Meller steckte fest und mit ihm zusammen eine sorgfältig geplante Polizeiaktion, die den Faktor Beton nicht mit einberechnet hatte.
Tatort: Hilton-Klo
Aber der Reihe nach: Es geschah im Jahr 2002. Harald Meller gab den Lockvogel.
Getarnt als potenzieller Käufer traf er sich mit einem Hehler-Paar, das die ominöse Himmelsscheibe von Nebra nach Basel geschmuggelt hatte.
Man verabredete sich im Foyer des Hilton Hotels. Im Hintergrund überwachte die Basler Polizei die Aktion.
Doch, dass die beiden Hehler, «eine blonde Dame um die 40 und ein 20 Jahre älterer grauhaariger Herr», Meller in die Kellerbar lotsen würden, war nicht geplant.
Meller konnte nur hoffen, dass die Polizei ihnen auf die Schliche käme. Er hielt die beiden Hehler unter dem Vorwand hin, die Echtheit der Fundstücke zu prüfen.
Zurück ins Museum
Und dann signalisierte das Handy unerwartet Empfang. Mellers SMS ging raus, die Polizei kam rein und verhaftete die Hehler.
So kam die Himmelsscheibe von Nebra in die Hände des rechtmässigen Besitzers, des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, Sachsen-Anhalt.
Dieses Bundesland kennt das sogenannte «Schatzregal»-Gesetz für Kulturgüter: Was immer in Sachsen-Anhalt gefunden wird, bleibt in dessen Besitz. Das war auch der Grund, weshalb Harald Meller überhaupt von dieser Scheibe wusste.
Gesetz gegen Kunstraub
Ein Jahr zuvor hatte ein Zwischenhehler, der Vorgänger des Hilton-Hehler-Paars, die Scheibe einem Berliner Museumsdirektor angeboten – für eine Million Mark.
Dabei erwähnte der Hehler, dass die Scheibe aus Sachsen-Anhalt stamme. Damit handelte es sich nicht nur um Raubgut, es war auch ein Verstoss gegen das Schatzregal-Gesetz.
Unverzüglich gab der Berliner Museumsdirektor seine Informationen weiter an den Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt. Der wiederum machte sich auf zur Jagd nach Dieb und Scheibe.
Unerforschte Hochkultur
Mit der spektakulären Polizeiaktion in Basel geriet die Himmelsscheibe erstmals in die Schlagzeilen – die Medienresonanz war gigantisch: Sollte die Himmelsscheibe von Nebra sich als echt erweisen, wäre dies wissenschaftlich eine absolute Sensation.
Niemand hatte bisher vermutet, dass die Mitglieder der kaum erforschten Aunjetitzer Kultur handwerklich und astronomisch zu solchen Höhenflügen fähig waren.
Doch je länger sich die überaus zahlreichen Wissenschaftler seither mit der Scheibe beschäftigen, desto deutlicher kommt das Bild einer möglicherweise erstaunlich komplexen Kultur ans Licht.
Einer Kultur, die Kontakte pflegte in ganz Europa und die unser Bild der Frühzeit völlig verändern könnte.
Harald Meller und Ko-Autor Kai Michel kondensieren in ihrem Buch die Bedeutung des Funds in einem Satz: «Die Himmelsscheibe gehört seitdem zu jenen archäologischen Objekten weltweit, welche die grösste Forschungsleistung pro Quadratzentimeter Fläche auf sich vereinen».
Weltberühmte Scheibe
Der Versicherungswert der Himmelsscheibe soll mittlerweile bei über 100 Millionen Euro liegen.
Bei der Fundstelle in Nebra steht heute ein futuristisch, in gold-gelbes Metall verpackter schwebender Baukörper, der wie ein UFO über der lieblichen Landschaft prangt.
Es ist das Besucherzentrum, in dem die abenteuerliche Geschichte der Himmelsscheibe von Nebra mit Räubern und Hehlern, Jägern und Sammlern für die Besucher als «Kasperletheater» aufgeführt wird.