Gleich hinter den letzten Einfamilienhäuschen in Ormalingen beginnt der Rebberg von Claude Chiquet. Chiquet hängte seinen Beruf als Energie-Ingenieur an den Nagel und entschloss sich kurz vor der Pension, Winzer zu werden.
Kleinst-Winzer, müsste man sagen, denn Chiquet keltert nur 6000 Flaschen Wein pro Jahr. Seine Rebfläche misst nur 100 mal 100 Meter und ist auch eine Schafweide.
«In der Mitte lassen wir die Kräuter und das Gras ungemäht. Im November kommen dann die Schafe und fressen es auf», sagt Chiquet.
Bio ist nicht besser
Die Ökologie ist für Chiquet wichtig. Bio-Weinbau mit herkömmlichen Rebsorten sei nicht besser als konventioneller Rebbau, sagt er. Denn gegen die Pilzkrankheiten müssten Bio-Bauern Kupfer spritzen.
Kupfer ist ein Schwermetall, das sich im Boden ansammelt und den Boden schädigt. Deshalb seien konventionelle Bio-Winzer nicht umweltfreundlicher als konventionelle Winzer – vor allem in feuchten Jahren, wenn sie sehr viel Kupfer spritzen müssten.
«Die biologisch Arbeitenden sind weniger ökologisch. Sie machen viel mehr Traktorfahrten durch die Rebgärten als die anderen», erklärt Chiquet.
Pilzwiderständige Sorten haben Erfolg
Er selber spritzt auch Kupfer – allerdings nur etwa ein Viertel der maximal erlaubten Menge. Langfristig will er ganz darauf verzichten. Möglich ist das, weil er neue Rebsorten anbaut: pilzwiderständige Sorten, sogenannte PIWI-Sorten.
Quereinsteiger Chiquet hat Erfolg damit: Dieses Jahr wurde sein Weisswein zum Baselbieter Staatswein gekürt, die höchstmögliche Auszeichnung im Kanton.
Längst ist alles ausverkauft. «Dass diese Sorten Europäersorten ausstechen können, ist ein kleineres Erdbeben.»
Sie galten nicht als Gaumenfreude
Lange galten PIWI-Weine im Vergleich zu den alten europäischen Sorten als geschmacklich fragwürdig. Sie seien «zu eindimensional, zu parfümiert», schrieb etwa das renommierte Branchenblatt «Vinum» noch vor fünf Jahren.
Chefredaktor Thomas Vaterlaus sieht das heute anders: «Für Fachleute besteht von der Qualität her kein Unterschied mehr.»
Ein Pionier der PIWI-Reben
Winzer und Kellermeister wie Claude Chiquet haben herausgefunden, wie sie mit den neuen Sorten umgehen müssen. Einer der Väter dieses Erfolgs ist der Agronom Valentin Blattner. Vor bald 30 Jahren begann er, im Jura neue Rebsorten zu züchten.
Im Grundsatz sei das einfach: «Man nimmt eine Sorte, die eine genetische Resistenz hat, und kreuzt sie mit einer Sorte, die einen Geschmack hat, den wir kennen und lieben.»
Pionierarbeit
Es braucht Resistenzen gegen den echten und den falschen Mehltau, die schlimmsten Pilzkrankheiten im Rebbau. Damit ist aber die Arbeit nicht getan: «Wenn man die klassischen Krankheiten nicht mehr behandeln muss, tauchen Krankheiten auf, die wir noch nicht kennen, weil so viel Gift auf den Reben war.»
Deshalb züchtet Blattner in Zusammenarbeit mit ausländischen Winzern und Forschungsanstalten in Deutschland, Spanien, den USA und Kanada mehrfach-resistente Sorten. 150'000 bis 200'000 junge Rebstöcke verkauft er pro Jahr im Ausland. Ausserhalb der Schweiz gilt Blattner schon lange als Pionier der Rebzucht.
Resistente Sorten mit grossem Potenzial
Hierzulande war das Interesse an seiner Arbeit lange kaum vorhanden. Heute ist das anders. Seit einiger Zeit züchtet auch die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope pilzwiderständige Sorten.
Die Leiterin von Agroscope, Eva Reinhard, sagt dazu: «Ich schätze das Potenzial enorm hoch ein. Denn Reben brauchen enorm viel Fungizide. Die neuen Sorten brauchen 80 Prozent weniger.»
Degustieren geht über Studieren
Viele Weintrinkerinnen und Weintrinker haben aber noch immer grosse Vorbehalte gegenüber den neuen Weinen. Vorbehalte, die rasch verschwinden: «Ich rate einfach allen zu probieren. Ich selber war begeistert», findet Reinhard.
PIWI-Weine sind aber Mangelware. Noch liegt der Anteil an pilzwiderständigen Rebsorten in den Schweizer Rebbergen bei weniger als zwei Prozent.