Richard I, genannt Löwenherz, König von England von 1189 bis zu seinem gewaltsamen Tod 1199, gilt vielen als eine der schillerndsten Personen des Hochmittelalters. Unzählige Sagen und Legenden ranken sich um ihn. So soll er im Besitz des Excalibur-Schwerts des Königs Artus gewesen sein, das seinen Besitzern übermenschliche Kräfte verlieh.
Ein Hüne war er, 1,86 Meter gross, ein – allerdings nicht sehr erfolgreicher – Kreuzritter, der Poesie zugetan und gleichzeitig ein Haudegen, der sich furchtlos bis zum Leichtsinn ins Kampfesgetümmel stürzte. So beschreiben ihn Historiker – ein Löwenherz eben.
Das Herz im Schatzkästchen
Und genau dieses Herz von Richard I wurde 1838 bei Ausgrabungsarbeiten in der Kathedrale Notre-Dame de Rouen in Frankreich entdeckt – zu Richards Zeiten die Kommandozentrale der englischen Besatzer. Auf dem Deckel eines kleinen Bleikistchens stand: «Hic iacet cor ricardi regis anglorum». Zu Deutsch: Hier liegt das Herz von Richard, dem König Englands. Vom Herzen des Löwen war zurzeit des Fundes allerding nur noch braun-weisses Pulver übrig. Der Zahn der Zeit hatte ganze Arbeit geleistet.
Dass das Herz einzeln in einem Kistchen und nicht beim restlichen Leichnam begraben lag, hatten die Archäologen einer alten Tradition zu verdanken: Die «dileceratio corporis» ist die Aufteilung einer Leiche, um Körper, Herz und Eingeweide getrennt bestatten zu können: der Körper bei Richards Vater in Fontevraud, die Eingeweide am Todesort Châlus, das Herz eben in Rouen. Doch dazu musste das Herz damals einbalsamiert werden, denn vom Todesort Châlus im heutigen Département Haute-Vienne bis nach Rouen sind es immerhin mehr als 500 Kilometer. Eine nicht eben kurze Reise zu Richards Zeiten.
Biomedizinische Untersuchung
Nun haben französische Forscher das Herz, beziehungsweise das übriggebliebene Herzpulver einer umfassenden biomedizinischen Untersuchung unterzogen, wie sie in einer neue Studie im Fachmagazin Scientific Reports berichten. Resultat: Richards Herz war mit allerhand Mittelchen einbalsamiert worden, mit Quecksilber, Gänseblümchen und Minze aber auch mit Myrre.
Vielleicht, spekulieren die Forscher, war das mutige Herz des Richards nicht nur zu Transportzwecken einbalsamiert worden, sondern auch aus religiösen Gründen. Denn auch wenn Richard Löwenherz seinen Kreuzzug gegen den Islam für die damalige Kirche vorbildlich angetreten hatte, er hatte auch einiges auf dem Kerbholz – auch aus kirchlicher Sicht.
Ein Bischof hatte gar ausgerechnet, dass Richard Löwenherz 33 Jahre im Fegefeuer würde schmoren müssen, bevor er seine letzte Reise in den Himmel würde antreten können. Um etwas schneller in den Himmel zu kommen, konnte nach seinem Tod durch einen feindlichen Pfeil ein wenig Myrre und anderes biblisch inspiriertes Gewürz ums Löwenherz nicht schaden.