Es sind 3 Treppen, 27 Stufen. David möchte da hoch, um Käsespätzli zu essen. Er steigt aus seinem Rollstuhl, stützt sich auf die Schulter seines Freundes und kämpft sich hoch.
Die Beine zittern, Schweiss treibt auf seine Stirn, David kneift die Augen zu. «Auf einer Skala von 1 bis 10, wie streng ist es?» – «11!», seine Antwort.
Verhängnisvoller Salto
Es passierte im November 2010, bei seiner Ausbildung zum Sportlehrer. Einen dreifachen Salto wollte er springen – und lag Sekunden später regungslos in der Schnitzelgrube der Sportanlage. «Ich spürte meinen Körper nicht mehr.»
Er versuchte, eine Atemtechnik anzuwenden, die er im Kampfkunsttraining gelernt hatte. «Ich hatte Angst, da drin zu sterben.»
Einen Monat später fährt er im Rollstuhl erstmals durch die Halle des Hauptbahnhofs Zürich. Es ist Weihnachtsmarkt. Die vielen heiteren Leute, die ihn alle zu erdrücken scheinen, gehen nicht aus dem Weg, ziehen ihn runter.
«Heute hingegen fühle ich mich wohl in Menschenmengen, ich gehe gerne in Clubs und feiere. Das hat mit mir zu tun. Ich habe eine andere Präsenz und die Leute machen mir Platz.»
Eine bestechende Eigenschaft von David Mzee ist sein Humor. Dieser ist allgegenwärtig und ansteckend. «Die einzige Frage, die man mir nicht stellen darf, ist ‹Hey, wie läufts?›», sagt David und lacht herzlich. «Der Unfall hat mich auch bereichert – immerhin kann ich jetzt Witze über meine Behinderung machen.»
Kein Wunder, sondern Wissenschaft
Vor vier Jahren, mitten in der Nacht, konnte er zum ersten Mal seit dem Unfall seine Zehen wieder bewegen. So viel Glück spürte er, dass er kein Auge mehr zutat.
Das war nur möglich, weil er zuvor wissenschaftliche Pionierarbeit leistete. Für ein Projekt des Forscherteams von Gregoire Courtine der EPFL liess er sich einen Chip in seine Wirbelsäule implantieren. Dieser stimuliert seine Beine elektrisch.
Zuvor führten Forscher den Versuch erfolgreich an Ratten und Affen durch. Danach war David einer von drei Menschen, die sich als Testpersonen zur Verfügung gestellt hatten. Mit einem medizinischen Meilenstein als Folge: Bald konnte er die ersten drei Schritte laufen, unterstützt von der Stimulation.
Grenzenloser Optimist
Heute trainiert David fast täglich auf seinem Laufband, um noch mehr Schritte und noch mehr Fortschritt zu machen. Dazu dröhnen stets laute Bässe und Lyrics von P.Diddy: «We ain’t going nowhere, we can’t be stopped now!»
Der 32-Jährige spielt zudem in der Wheelchair-Rugby-Nationalmannschaft und ist heute der erste querschnittgelähmte Sportlehrer der Schweiz.
Schon immer war er derjenige mit der unendlichen Energie, weshalb man ihn in der Schule auch «Duracell-Hase» nannte. Was bewahrt ihn vor dem Verzweifeln? «Ganz einfach. Ich sehe, was ich kann und nicht das, was ich nicht mehr kann.»