Es liegt auf dem Münsterhügel in einem prächtigen historischen Bau nahe des Rheins: das Naturhistorische Museum Basel. Seine Sammlung – von der menschlichen Mumie bis zum seltenen Kristall – ist die älteste ihrer Art hierzulande. Und umfangreich: An die acht Millionen Exponate besitzt das Haus.
Das ist zwar nur gut ein Drittel der Sammlungsbestände des Nationalmuseums in Rio, aber immer noch so viel, dass nicht einmal ein Prozent des Gesammelten je das Licht einer Ausstellung erblicken wird.
Der Löwenanteil der Museumstücke bleibt verborgen, teils in auswärtigen Magazinen, teils im Museum selbst, wo die Sammlungsobjekte auf vier Untergeschossen gelagert werden. Jeder dieser kühlen Räume voller Regale und Rollschrankanlagen umfasst die Fläche eines kleinen Fussballfelds.
Ausgestopfte Amsel erlaubt bessere Klimaprognosen
Co-Museumsdirektor und Geowissenschaftler Basil Thüring erklärt, worin der wissenschaftliche Wert des Gesammelten besteht: «Nehmen wir eine ausgestopfte Amsel aus dem 19. Jahrhundert. Mit Proben aus ihrem Gefieder kann man die Umweltverschmutzung der damaligen Zeit rekonstruieren. Solche Erkenntnisse wiederum verbessern die heutigen Klimamodelle.»
Aus alten Tierpräparaten kann man also Informationen gewinnen, die heute immer noch relevant sind. Möglich macht das etwa die Isotopenanalyse: ein chemisches Verfahren, das Informationen über die Umwelt von Lebewesen zulässt.
Solche jungen wissenschaftlichen Methoden tragen dazu bei, dass Museumssammlungen heute wieder attraktiver werden für die Forschung. Das zeigt sich auch in der zoologischen Skelettsammlung des Basler Museums. Dort erforscht der Paläontologe und Museumsmitarbeiter Forscher Loïc Costeur die evolutionären Anfänge von Widerkäuern wie der Giraffe.
Giraffenvorfahr soll in 3D aufleben
Während bei uns Menschen klar ist, dass wir mit den Affen gemeinsame Vorfahren haben, «liegt die Vorgeschichte der Giraffe vor rund 20, 25 Millionen Jahren im Dunkeln», so Loïc Costeur.
Um sie zu erhellen, vergleicht er Knochen von Giraffen und verwandten Tieren aus unterschiedlichen Epochen. Besonders gut ablesen lassen sich dabei die verschiedenen Entwicklungsschritte nicht etwa am langen Hals der Giraffen, sondern an der Form und Struktur des Innenohrs.
Mit einem portablen Scanner durchleuchtet der Forscher daher Schädel der Tiere und erstellt dann am Computer 3D-Bilder vom Innenohr, die er vergleichen kann. So wird der Vorfahr der Giraffen dereinst vielleicht in 3D neu aufleben.
Unerlässlich, um Artenvielfalt abzuschätzen
Wertvoll für die moderne Forschung sind wissenschaftliche Museumssammlungen auch wegen ihrer sogenannten Holotypen.
In der Mineraliensammlung des Basler Museums erklärt Basil Thüring vor einem rotbräunlich funkelnden Stein aus dem Bündnerland: «Wenn ein Mineral wie der Grischunit neu entdeckt wird, wird dieses Objekt von einer internationalen Kommission überprüft und im positiven Fall an einem einmaligen Ort der Welt als Referenzart oder Holotyp abgelegt, ähnlich wie das Urmeter in Paris.»
Der «Ur-Grischunit» liegt in Basel. Das Naturhistorische Museum am Rheinknie besitzt zahlreiche solche Holotypen, auch von vielen Tierarten. Diese Referenzobjekte sind unerlässlich, um sauber zu bestimmen, wie die Artenvielfalt und der Zustand der Erde sich verändern.
Austausch auf der ganzen Welt
Zugleich bringen die Referenzarten dem Museum Prestige. An die 200 Forschende aus der ganzen Welt arbeiten Jahr für Jahr ein oder mehrere Tage in den Sammlungen des Basler Naturhistorischen Museums.
Um die zehntausend Sammlungsstücke jährlich leiht das Museum an Forschende und andere wissenschaftliche Museen aus.
Im abgebrannten brasilianischen Nationalmuseum in Rio de Janeiro war das nicht anders. Bloss erhielt jenes grösste natur- und völkerkundliche Museum Lateinamerikas anders als in Basel nicht annähernd genügend finanzielle Mittel für Unterhalt und Brand-Prävention.
An der kürzlichen 200-Jahr-Feier des Museu Nacional war kein einziger Staatsminister zugegen. Die brasilianischen Politiker liessen jenes Museum links liegen, weil sie nicht erkannt hatten, was Museen mit ihren wissenschaftlichen Sammlungen wert sind: Museumsexponate sind weit mehr als bloss verstaubte Zeugen vergangener Zeiten. Sie ermöglichen uns neues alltagsrelevantes Wissen und beleben weltweit die Wissenschaft.