- Franck Goddio entdeckte die antike ägyptische Stadt Herakleion, die im achten Jahrhundert im Meer versank.
- Tauchen ist für ihn ganz normale Arbeit: Wenn er anfängt zu graben, vergisst er vollkommen, dass er unter Wasser ist.
SRF: Was war die letzte Entdeckung, die Sie gemacht haben?
Franck Goddio: Wir haben letztes Jahr in Thonis-Herakleion, wo wir graben, einen kleinen griechischen Tempel mit Säulen gefunden, der in einem Kanal versunken war, mitsamt den rituellen Objekten. Der Tempel hatte auch ein Boot mitgerissen, das wir daneben fanden, voll mit Keramik.
Wie sucht man, wenn man unter Wasser etwas finden will?
Bevor wir auch nur irgendwas berühren, machen wir geophysikalische Messungen. Es kann Jahre dauern, ein ganzes Gebiet abzusuchen. Dabei will man das Maximum erfahren, ohne etwas zu berühren. Denn wenn man eine Grabung macht, stört man den Fundort. Das bringt zwar Informationen, doch es zerstört auch Dinge. Man sollte so wenig wie möglich anfassen, um doch möglichst viel zu erfahren.
Welches ist bisher die wichtigste Entdeckung, die Sie vor Ort gemacht haben?
Eine Woche nachdem wir die Stadt Herakleion entdeckt hatten, fanden wir eine Stele. Zuerst sahen wir nur einen schwarzen Stein, der mit der Vorderseite am Boden lag. Als ich meine Hand darunter hielt, spürte ich eine Inschrift. Sie besagt: ‹Die Pharaonen befehlen, dass dieses Dekret errichtet werde an der Meeresmündung der Griechen, in der Stadt von Thonis.› Also wussten wir, Herakleion war dieselbe Stadt wie Thonis. Damit haben wir ein uraltes Rätsel gelöst.
Ich vergesse vollkommen, dass ich unter Wasser bin.
Sie haben auch eine Jahrtausend alte Barke aus Ahornholz gefunden.
Wir fanden eine Barke, die den Körper des Gottes Osiris am Ende einer Osiris-Mysterienfeier transportierte. Sie war eineinhalb Meter unter den Sedimenten des Meeresbodens und von rituellen Objekten umgeben. Weil sie den Körper eines Gottes berührt hatte, durfte sie nicht zerstört werden. Man hatte sie den Göttern geopfert und sie im heiligen Kanal versenkt.
Was bedeutet tauchen für Sie?
Tauchen ist für mich wie mit dem Bus zur Arbeit zu fahren. Ich nehme den Bus, komme an, tauche vor Ort und wenn ich anfange zu graben, vergesse ich vollkommen, dass ich unter Wasser bin.
Wie lange bleiben Sie unter Wasser?
Das hängt von der Tiefe ab. In Ägypten sind wir nicht tief, da kann man ohne Probleme zweieinhalb Stunden am Morgen und nochmals so lange am Nachmittag tauchen. Auf den Philippinen, wo wir in 52 Metern Tiefe Schiffe gefunden haben, tauchen wir 45 Minuten am Morgen und eine halbe Stunden am Nachmittag. Das ist viel komplexer und anstrengender.
Welchen Moment geniessen Sie am meisten bei den Grabungen?
Die glücklichsten Momente sind die ersten Entdeckungen, die einem beweisen, dass man nicht falsch liegt und die jahrelange Arbeit nicht umsonst war. Wenn man Monumente mit Inschriften entdeckt, Botschaften aus der Vergangenheit, die uns mehr lehren, als die grössten Schätze. Eine kleine Botschaft, eine kleine Inschrift – das liebe ich.
Das Gespräch führte Stefan Zucker.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 01.02.2017, 22:25 Uhr