Das Stichwort heisst «optimizing human performance», der Soldat der Zukunft soll optimiert werden. Er soll in der Lage sein, Lasten von bis zu 60 Kilo während drei Tagen im Kampf zu tragen. Er soll mit Sensoren, Nachtsicht-, Ortungs- und Zieloptimierungsgeräten ausgerüstet sein. Und er soll medikamentös so behandelt werden, dass er möglichst angstfrei, möglichst aufmerksam in den Kampf ziehen kann.
Soldatengehirne unter Beobachtung
Am Soldat der Zukunft arbeitet unter anderem die Defense Advances Research Projects Agency (DARPA), eine kleine amerikanische Behörde mit einem Etat von gerade mal drei Milliarden Dollar pro Jahr. DARPA arbeitet an der Schnittstelle zum Gehirn – zum Beispiel, um ein Geschoss mit Gedanken steuern zu können. «DARPA entwickelt derzeit ein System, welches das Gehirn eines Soldaten beobachtet und feststellt, wenn eine Bedrohung auftaucht – durch Reaktionen des Gehirns», erklärt Armin Krishnan, ein renommierter Militärforscher an der amerikanischen East Carolina University.
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Auch andere neuartige, revolutionäre Techniken werden erprobt – darunter Methoden zur Tiefenstimulation des Gehirns; Methoden, die sowohl bei der Heilung von Parkinson eingesetzt werden können, wie auch, um die Aufmerksamkeit des Soldaten im Kampf zu verbessern. Die künstlichen Skelette, sogenannte Exoskelette, die für das Tragen schwerer Lasten entwickelt wurden, haben bereits ihren Weg in die zivile Anwendung gefunden. Sie kommen auch zum Einsatz, wenn es darum geht, querschnittgelähmten Menschen zum Gehen zu verhelfen.
Leistungsfähigkeit gezielt steigern
Die Übergänge zwischen militärischer und ziviler Forschung sind weitgehend fliessend. Der gemeinsame Nenner heisst «Human Enhancement», und das sei, sagt Christopher Coenen vom Karlsruher Institut für Technologie, sowohl ein Projekt zur «Steigerung der menschlichen Fähigkeiten» wie auch ein Projekt zur «Verbesserung des Menschen».
Die Leistungssteigerung betreiben wir bereits im Alltag – mit Koffein, Pillen oder Ritalin, manche greifen auch zu Kokain oder Modafinil. Dabei gehe es um ähnliche Ansätze wie im Militär, sagt Markus Christen, Neurowissenschaftler und Ethiker am Ethikzentrum der ETH Zürich – nämlich darum, bestimmte Fähigkeiten gezielt zu steigern. Meistens sind es die Aufmerksamkeit und die Leistungsfähigkeit, also Eigenschaften, die in der heutigen Leistungsgesellschaft besonders gefragt sind. Emotionale Eigenschaften bleiben auf der Strecke.
Umstrittene Gentherapie
Anders bei Projekten zur eigentlichen «Verbesserung» des Menschen.
Hier geht es um den gezielten Eingriff in die Keimbahn, um umstrittene Therapien wie die Gentherapie oder um die Selektion von Embryonen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik. Die Verbesserungen, die man hier bei einem Lebewesen vornimmt pflanzen sich über Generationen fort. Hochzüchtung oder Eugenik nennt man dieses Verfahren.
Die eigentliche Verbesserung des Menschen, seine Aufrüstung mit Medikamenten, aber auch die neuartigen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschinen – all dies wird in der Ethik kontrovers diskutiert.
Die Mehrheit geht heute davon aus, dass der Mensch seit jeher ein Kulturwesen ist, das die eigenen Bedingtheiten und Grenzen überwinden will. Wer diese Meinung habe, akzeptiere, dass der Mensch stets über sich hinauswachsen will, sagt Markus Christen. Diese Haltung kontrastiere mit der anderen Position, die vor allem in der Öffentlichkeit immer wieder zur Sprache kommt: Dass es eben doch so etwas wie einen «Kern des Menschlichen» gebe, der nicht tangiert werden dürfe. Wann dieser Punkt erreicht ist, ist offen.
Fragen der sozialen Gerechtigkeit diskutieren
Die Akademien der Schweiz sprechen sich in einem wissenschaftlichen Bericht aus dem Jahr 2012 gegen eine klare Grenzziehung bei der «moralischen Zulässigkeit» des «Human Enhancement» aus. Was wünschbar sei und was nicht, hänge immer auch vom «soziokulturellen Kontext» ab. Gefordert wird aber eine offene, weiterführende Debatte, um auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Autonomie des Einzelnen und der Rolle der Medizin zu reflektieren.
Denn was will der Einzelne, jeder von uns?
Der Einzelne, das sagt der Teilnehmer einer Tagung beim schweizerischen Rückversicherungskonzern SwissRe, will eigentlich nur dies: Er will «besser aussehen, besser arbeiten, höher springen, länger leben» und letztlich auch ein «längeres, ein glücklicheres Leben führen».