Naturschnee und bestes Bergwetter locken Skifahrer und Snowboarder in Scharen auf die Piste – und in die Restaurants. Kurz vor Mittag mischt sich «Puls» unters Pistenvolk im Skigebiet «Kleine Scheidegg» oberhalb Grindelwald. Gesucht: alkoholisierte Wintersportler, die ins mitgebrachte Profi-Gerät für die Atemalkoholanalyse pusten.
Alkohol fährt mit
Die Suche dauert nicht lange: 0,24 Promille zeigt der Alkoholtester nach einem Pfefferminztee mit Zwetschgen-Schnaps an. «Geht noch», findet die Skifahrerin. Einschränkungen beim Fahren spüre sie keine.
Mit der Sonne steigt die Stimmung. Bier- und Weingläser stehen zur Mittagszeit dicht an dicht, die Ski-Bar ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Messungen bestätigen die Erwartung: Nüchtern ist hier kaum jemand.
Wie viele Wintersportler auf der Piste alkoholisiert unterwegs sind, weiss niemand so genau. Offizielle Zahlen gibt es kaum, laut einer BfU-Umfrage von 2017 trinken aber 15 Prozent der Skifahrer und 19 Prozent der Snowboarder gelegentlich oder oft auf der Piste.
Der Augenschein vor Ort lässt vermuten, dass es durchaus mehr sein könnten.
Tolerierter Pisten-Alkohol
Im Strassenverkehr würden die von «Puls» gemessenen Alkoholpegel zum Ausweisentzug führen. Am Berg scheint der Alkoholkonsum hingegen toleriert zu werden.
Dass Alkohol auch auf der Piste nicht ganz harmlos ist, demonstriert die so genannte Rauschbrille. Wer sie trägt, sieht die Welt mit 0,8 Promille. Samuli Aegerter, Verantwortlicher für die Wintersportkampagnen der Suva, hat sie für den «Puls»-Besuch mit auf die Piste gebracht.
Ob Skifahrer oder Snowboarder: Wer die Rauschbrille aufsetzt, wird plötzlich wieder zum blutigen Anfänger. Das Anlegen der Bindung macht Mühe, ein Fehltritt hier, ein Missgriff dort, Gleichgewichtsprobleme und allgemeine Unsicherheit. So wagt sich niemand auf die Piste.
Mit der Rauschbrille will die Suva die Leute auf die Auswirkungen des Alkohols aufmerksam machen. «Alkohol schränkt beim Sport die Wahrnehmung ein und reduziert die Reaktionsfähigkeit», erklärt Samuli Aegerter. «Damit werden die Bremswege länger und auch die Risikobereitschaft – vor allem in der Gruppe – nimmt zu.»
Verhaltensregeln gibt es
Auf der Piste sei das aber äusserst selten ein Problem, sagen die Pisten- und Rettungsdienste der Bergbahnen. Im Skigebiete «Kleine Scheidegg» ist Hansruedi Burgener für die Sicherheit der Pistenbenützer verantwortlich.
Alkohol spiele bei Problemen nur ganz selten eine Rolle. In 30 Jahren am Berg habe er noch nie jemanden wegen Alkoholexzessen von der Piste verbannen müssen. Pisten- und Rettungsdienst würden vor allem darauf achten, dass die geltenden Verhaltensregeln des Internationalen Ski-Verbands FIS eingehalten werden. Alkoholkontrollen dürfen sie in Eigenregie jedoch nicht durchführen.
Die Polizei kommt nur bei heftigen Unfällen
Den Alkoholpegel interessiert höchstens die Polizei. Und die kommt nur, wenn der Unfall heftig ist – bei einer Kollision etwa. Doch über 90 Prozent der Unfälle sind ohne Drittbeteiligung. Deshalb haben bisher weder die Suva noch die BfU eine Anti-Alkohol-Kampagne lanciert.
«Wir konzentrieren uns auf die Risikofaktoren, die zu Unfällen führen, und Alkohol zählt nicht zur Top ten», erklärt der Suva-Verantwortliche Samuli Aegerter, «andere Themen wie die körperliche Fitness, das Gruppenverhalten und die Ausrüstung schätzen wir als wichtiger ein.»