Die Umfrage an der Expo sorgte für einen handfesten Skandal. «Bundeszensur an der Expo» oder «Die Angst des Bundesrates» titelten die Medien. Der Bundesrat war wegen der – für damalige Verhältnisse – teils pikanten Fragen dermassen besorgt, dass er den Fragebogen kurzerhand hatte entschärfen lassen. Fragen wie «Kann man ein guter Schweizer sein und Kommunist?» oder «Sind sie für legale Abtreibungen?» wurden gestrichen.
Und damit nicht genug: Als es um die Auswertung der fast 600'000 Fragebögen ging, schaltete der Bundesrat sich erneut ein. Er ordnete an, die Daten zu vernichten. Lediglich eine Teilauswertung der ersten 130'000 Fragebögen entrann dem Schredder.
50 Jahre danach: Eine Umfrage à la 1964
Jetzt, zwei Generationen nach der Landesausstellung von 1964, lancierte «Einstein» die Fragen von damals erneut. Rund 2900 Personen beteiligten sich bisher an der Online-Umfrage. Im Vergleich zu den Ergebnissen von 1964 zeigen sich teils markante Unterschiede. Aber auch unter den Generationen variieren bei der heutigen Umfrage die Ansichten. Hier eine Übersicht:
Wie wichtig sind Traditionen?
Auf die Frage «Darf man als guter Schweizer die traditionellen Werte in Frage stellen?» antwortete 1964 die Hälfte der Befragten mit «Ja».
Heute sieht das ganz anders aus: Von den über 56-Jährigen finden über 70 Prozent, dass man die traditionellen Werte in Frage stellen kann. Bei der jüngsten Gruppe (unter 35-jährig) waren es gar knapp 80 Prozent. Je jünger die Leute sind, desto weniger in Stein gemeisselt scheinen traditionelle Werte zu sein.
Sind Spätaufsteher schlechte Schweizer?
Der frühe Vogel fängt den Wurm. Das galt wohl in den 60er-Jahren noch ganz besonders. Bei der Frage «Kann man ein guter Schweizer sein und erst um 9 Uhr aufstehen?» waren 40 Prozent der Befragten 1964 der Ansicht, dass das nicht möglich sei. Seither hat sich das Image der Langschläfer jedoch deutlich verbessert. Heute halten es nur noch 10 Prozent aller Befragten für eine schlechte Angewohnheit, wenn man später als 9 Uhr aufsteht.
Muss man ein guter Soldat sein?
1964, mitten in der Zeit des kalten Krieges, genoss die Schweizer Armee ein enormes Ansehen – die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge wäre damals wohl kaum umstritten gewesen. Entsprechend wichtig waren auch die Schweizer Soldaten, was die Frage «Kann man ein guter Schweizer sein und kein guter Soldat?» illustiert. 53 Prozent der Befragten gaben sich überzeugt, dass sich das nicht vereinbaren lässt. Gute Schweizer hatten auch gute Soldaten zu sein.
Heute finden bei den über 56-Jährigen lediglich noch 19 Prozent, dass nur ein guter Schweizer sein könne, wer auch ein guter Soldat sei. Bei den unter 35-Jährigen sind es sogar nur 13 Prozent.
Von den weiteren Fragen der Expo-Umfrage existieren keine Vergleichsdaten von 1964 mehr. Sie fielen dem Schredder zum Opfer. Deshalb beschränkt sich der folgende Teil der Auswertung lediglich auf die Erhebung von heute.
Ein guter Schweizer geht an die Urne
Bei der aktuellen Umfrage vertreten zwei Drittel aller Befragten die Ansicht, dass jemand der «niemals abstimmt», auch kein guter Schweizer sein könne. Angesichts der heutigen immer wieder tiefen Wahl- und Stimmbeteiligungen ein überraschendes Ergebnis.
Alles aus Liebe
Bei der Frage «Warum heiratet man?» siegt über alle Altersklassen hinweg die Liebe. Über 54 Prozent geben an, aus gegenseitiger Zuneigung zu heiraten.
1964 hatten die Frauen weder Stimm- noch Wahlrecht. Deshalb war «Was würde die Stellung der Frau verbessern?» eine gewichtige Frage. Leider gibt es auch hier keine Vergleichsdaten aus dem Jahr 1964.
Heute geben 34 Prozent an, dass sich die Stellung der Frauen verbessern würde, wenn sie gleich viel verdienten wie die Männer. 30 Prozent glauben, dass die gleichen beruflichen Aufstiegschancen eine Verbesserung bewirken würden. Für jede fünfte Person ist Gleichberechtigung heute kein Thema mehr. Sie finden, dass in der Schweiz Frauen gegenüber Männern nicht mehr benachteiligt sind.
Ein Hoch auf die sprachliche Vielfalt
Das höchste Gut in der Schweiz ist nicht etwa die Landwirtschaft oder die Hochkonjunktur. Es ist der Wunsch nach sprachlicher und kultureller Vielfalt, der den Schweizerinnen und Schweizern besonders am Herzen liegt.
Stand Umfragedaten: 24.04.2014, 2893 Befragte.