Am Neujahrstag 1519 wurde der 34-jährige Huldrych Zwingli Priester von geschätzten achttausend Zürchern. Er lebte ehelos wie die Frauen in Zürcher Klöstern.
Die Benediktinerinnen des Fraumünsters, die Dominikanerinnen des Klosters Oetenbach und die Beginen im Konvent St. Verena hatten Gehorsam, Armut und Keuschheit gelobt. Die Kirche war noch im Dorf – aber nicht mehr lange.
Das Ende einer Ära
Zürich war ein Pulverfässchen, eines unter vielen in der Eidgenossenschaft und im Deutschen Reich. Ausgerechnet ein Gottesmann warf den Funken und die Reformation nahm ihren Lauf.
Das reformierte Zürich veränderte sich so schnell und scheinbar unkontrolliert, dass es einem alten Zürcher wie ein unheimlicher Bergsturz vorkam. Die Reformation wurde zur Zeitenwende zwischen Mittelalter und Neuzeit.
Man hob die Klöster auf. Eine Ära ging zu Ende.
Von der Nonne zur weltlichen Frau
Am 8. Dezember 1524 sah sich Katharina von Zimmern, Äbtissin des Fraumünsters und Stadtherrin von Zürich, zum Rücktritt gezwungen. Sie übergab das Kloster mit deutlichen Worten der Stadt Zürich.
Sie verzichte «zu Ehren und Lob Gottes» auf Besitz- und Hoheitsrechte, die die Frauen von römischen Kaisern und Königen erhalten hätten und auf «auf Einkünfte und Güterverzeichnisse, Rödel und Register, Ämter und Amtsleute». Also auf alles.
Katharina und die anderen Zürcher Nonnen wurden weltliche Frauen, vielleicht auch Ehefrauen. Katharina heiratete und wurde mit 47 noch Mutter.
Leben wie im Schneckenhaus
Wer nicht heiratete oder erbte, geriet in materielle Not. Eine 37-jährige Nonne klagte 1525 vor dem Winterthurer Rat, man habe sie als siebenjähriges Mädchen ins Kloster Töss gebracht, zur Tante, die dort Priorin war.
Sie habe wie im Schneckenhaus gelebt, die Verwandten hätten sie enteignet. Nun aber, dreissig Jahre später, wo ihr Kloster aufgehoben werde, sei sie arm. Die Behörden wollten den Fall nicht mehr aufrollen.
Klostergeld für Konrad Gessner
Aus den aufgehobenen Klöstern floss viel Geld in die Kassen der Städte. Zürich schickte Knaben aus armen Familien mit Stipendien an ausländische Universitäten.
Einer von ihnen war Konrad Gessner. Er engagierte sich nach dem Medizinstudium im massiv ausgebauten Schulwesen und wurde Stadtarzt.
Solche Karrieren standen nur Männern offen. Doch es war auch ein Arzt, der die Berufschancen für Frauen massgeblich veränderte: Jakob Ruf.
Jakob Ruf, der Zürcher Stadtchirurg, engagierte sich seit den 1540er-Jahren für die Geburtshilfe. 1554 schrieb er das «Trostbüchlein».
Das illustrierte Lehrbuch für Hebammen brachte Spezialistenwissen für alle und führte eine bislang verborgene Welt vor Augen: den Körper der Frau.
Das war bahnbrechend. Das Zürcher Buch ist das erste Lehrbuch für Berufsprüfungen von Frauen überhaupt.
Es unterstützte viele Hebammen weit über Zürich hinaus beim Berufseinstieg. Eine sehr wichtige, aber oft vergessene Errungenschaft der Reformationszeit.