Wir stehen vor einem alten Hangar auf dem Flugplatz Dübendorf. Hier machen Studierende der ETH Zürich ihre ersten Testfahrten mit einem selbst gebauten Solar-Fahrzeug. Im Oktober nehmen sie an der «World Solar Challenge» teil, dem härtesten Solar-Rennen der Welt: 3000 Kilometer quer durch Australien in fünf Tagen – all das nur mit Strom vom eigenen Autodach.
Die aerodynamische Autohülle mit den integrierten Solarpanels haben die Studierenden noch nicht montiert, weil sie noch nicht fertig produziert ist. «Maximal vier Quadratmeter Solarpanels dürfen wir darauf packen», sagt der 21-jährige Teamleiter Alexandr Ebnöther. «Ich denke, die normale Autoindustrie könnte sich einiges bei uns abgucken.» Denn die Solarautos sind besonders leicht und windschlüpfrig.
Holländer seit zehn Jahren am Tüfteln
Mehrfacher Sieger am Solar-Rennen ist ein Team aus dem niederländischen Eindhoven. Schon vor zehn Jahren haben sie abgeräumt in der Kategorie «Cruiser Class», mit der alltagstaugliche Solarautos gefördert werden. «Damals haben wir realisiert, dass Solarpanels auf dem Autodach auch für ganz viele normale Autofahrerinnen und Autofahrer zum Alltag werden könnten», sagt Martijn Lammers. Er hat die Autofirma Lightyear mitbegründet und ein erstes alltagstaugliches Solarauto mit fünf Plätzen gebaut.
Vom Mehrfachsieger zum Konkurs
Wenn das Modell Lightyear Zero im Sommer einen Tag geladen wird, reiche der Strom vom Autodach, um 50 bis 60 Kilometer zu fahren. Im Winter hingegen reicht es nur für 20 bis 30 Kilometer, der Rest des Stroms kommt dann von der Steckdose. «Aber die meisten Autos sind im Alltag nur über kürzere Strecken unterwegs, sodass der Strom vom Autodach schon ausreichen kann», sagt Lammers. Ihr Auto sei leichter als andere, aber genauso bequem und auch bei der Sicherheit würden keine Abstriche gemacht, betont Lammers. Doch die Autobranche ist ein hartes Pflaster für Neueinsteiger: Anfang 2023 musste die Firma Lightyear Insolvenz anmelden.
«Strom vom Hausdach macht mehr Sinn»
Für Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Eidgenössischen Materialforschungsanstalt EMPA ist denn auch klar: «Solarzellen auf dem Autodach sind nicht ideal.» Meist stehen sie nicht im richtigen Winkel zur Sonnenstrahlung und manchmal ist das Auto gar im Schatten parkiert. «Aus meiner Sicht macht es mehr Sinn, Solarstrom von den Hausdächern zu ernten, und dann in die Elektroautos einzuspeisen.»
Nachfolgemodell soll in vier Jahren zu kaufen sein
Martijn Lammers widerspricht: «Beides muss man machen, denn auch die Autodächer haben ein grosses Potenzial.» Seine Firma ist unterdessen mit Geld privater Investoren neu gestartet. 200 Mitarbeitende tüfteln nun an einem günstigeren Nachfolgemodell. 30'000 bis 40'000 Euro soll es kosten. In drei bis vier Jahren soll es auf den Markt kommen. Andere Start-ups verfolgen ähnliche Pläne. «Auch grössere Autobauer kommen unterdessen auf uns zu», sagt Lammers. Die Branche scheint sich zu bewegen.
Testfahrt der ETH-Studierenden erfolgreich
Zurück auf der Rennstrecke in Dübendorf: Testpilot Aaron Griesser erhält das Startsignal und gibt Gas. Mit einem leisen Surren fährt er los und dreht eine Acht um die orange leuchtenden Plastik-Verkehrskegel.
Nach zwei Runden bremst er und ruft: «Es fühlt sich gut an, richtig gut!» Die Zeitlimite ist eingehalten. Die ETH-Studierenden scheinen bereit für das Rennen.