Dieses Wochenende findet in Zürich das erste Formel-E-Rennen der Schweiz statt. 150’000 Besucherinnen und Besucher werden erwartet. Ein grosses Fest der E-Mobilität.
Mit dabei ist auch die ETH Zürich, und erstaunlicherweise auch Christopher Onder, Professor am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Der ETH-Autoexperte war in den letzten Jahren gegenüber dem Elektroboom kritisch eingestellt.
SRF: Sie waren immer sehr skeptisch gegenüber dem Elektroboom. Haben Sie sich nun vom Saulus zum Paulus gewandelt?
Christopher Onder (lacht): Die Frage ist, was ist der Saulus und was der Paulus? Ich finde es grundsätzlich immer spannend, wenn neue Technologien ausprobiert und auch dem Publikum vorgestellt werden.
Es ist ganz wichtig, dass das Publikum sich eine Meinung bildet über die Möglichkeiten, die eine neue Technologie liefert. Uns an der ETH ist es aber wichtig, dass man hinter die Kulissen sieht.
Deshalb organisieren wir auch am Freitag ein paralleles Symposium, die sogenannten E-Days.
Das Formel-E-Rennen ruft aber auch Kritik hervor. Autorennen würden kaum etwas zur Lösung von Mobilitätsproblemen im Alltag herbeiführen, sie seien einfach ein motorisiertes Spektakel, sagen Kritiker.
Grundsätzlich gebe ich ihnen recht. Es ist ein Spektakel. Aber wenn wir dadurch natürlich Leute informieren und faszinieren können für eine neue Technologie, dann ist es ein wichtiger Schritt in Richtung einer effizienten und umweltfreundlichen Verwendung von Energie.
Sie referieren am ETH-Anlass, wie der öffentliche Verkehr von der Forschung für den Rennsport profitieren kann. Kann er das wirklich?
Wir verwenden für den klassischen Rennsport Formel 1 wie für den öffentlichen Verkehr der Stadt Zürich mit seinen Trolleybussen genau die gleichen Methoden.
Unsere Forscher entwickeln Algorithmen und Methoden, die für diese Art von Problemen – einerseits Effizienzoptimierung, andererseits Zeitoptimierung – genau gleich tauglich sind
Wo hat denn der öffentliche Verkehr von einer technischen Neuerung profitiert, die im Rennsport entwickelt wurde?
Für den «Swiss Trolley plus»-Bus müssen wir ein Energiemanagement erstellen, das auf Streckeninformationen basiert. Im Rennsport haben wir diese Streckeninformationen. Dort arbeiten wir schon lange mit diesem Energiemanagement. Und das haben wir übertragen auf den öffentlichen Bus.
Wie muss man sich das vorstellen als Laie?
Der Trolleybus muss selbständig entscheiden, wann er die elektrische Energie von der Oberleitung nimmt und wann er sie von der Batterie bezieht. Je nachdem, wie weit er beispielsweise von einem Einspeisepunkt entfernt ist, hat er relativ hohe Verluste in der Oberleitung und es ist günstiger, wenn der Bus die elektrische Energie von der Batterie bezieht.
Der Trolleybus muss selbständig entscheiden, wann er die elektrische Energie von der Oberleitung nimmt.
Auf der anderen Seite muss die Batterie, sobald der Bus eine Steigung hochfährt, genügend geladen sein. Sonst kommt er die Steigung nicht hoch. Das ist ein relativ komplexes Problem.
Selbstverständlich könnte das der Fahrer theoretisch machen, aber das ist unrealistisch. Der Fahrer ist zu beschäftigt. Er muss auf den Verkehr achten, von Haltestelle zu Haltestelle den Fahrplan einhalten.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass das vollautomatisch erfolgt – und diese Algorithmen stellen wir zur Verfügung.
Heute liegt der Marktanteil von Elektroautos in der Schweiz bei weniger als drei Prozent. Bundesrätin Doris Leuthard und die Autobranche wollen diesen Anteil in nur fünf Jahren auf 15 Prozent steigern. Ist das realistisch?
Das scheint mir nicht realistisch. Nicht unbedingt, weil die Autos nicht verfügbar wären. Sondern weil die Infrastruktur noch nicht bereit ist für diesen grossen Schritt. Wir haben noch zu wenig Ladestationen. Und die Ladestationen, die wir haben, sind noch zu wenig leistungsfähig.
15 Prozent Elektrofahrzeuge könnten wir gar nicht sinnvoll aufladen. Was auch noch zu bedenken ist: Woher kommt die elektrische Energie, die für das Aufladen der Elektromobilität verwendet wird? Da müssen wir wirklich darauf achten, dass wir keine elektrische Energie verwenden, die in Kohlekraftwerken erzeugt wird.
Sie haben an effizienten Verbrennungsmotoren geforscht, die nur die Hälfte CO2 ausstossen wie herkömmliche Motoren. Eigentlich wäre es doch ganz einfach: Wir müssen einfach kleinere, aber absolut funktionstüchtige Autos kaufen und unsere CO2-Ziele wären erreicht?
Es ist leider so. Was der Kunde kauft, ist eben nicht das, was er verspricht zu kaufen und was wirklich umweltfreundlich wäre. Man sieht auf den Strassen sehr viel schwerere Fahrzeuge, sehr viel hoch motorisierte Fahrzeuge.
Das ist offensichtlich das, was der Kunde will. Wir als Ingenieure müssen das möglichst beste technische System zur Verfügung stellen. Den Kunden selber zu ändern, ist sehr schwierig.
Gehen sie am Sonntag an das Formel-E-Rennen?
Ich werde sicher vorbeischauen. Das möchte ich mir nicht entgehen lassen, eine Nase voll Rennluft zu schnuppern. Auch weil nach so langer Zeit endlich mal in der Schweiz wieder so ein Auto-Rundrennen stattfindet.
Das Gespräch führte Christian von Burg.
Sendungen
SRF zwei, sportpanorama, 03.06.18, 18:30 Uhr,
SRF1, Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 08.06.18, 12:03 Uhr