Wenn ein Forscher begeistert ist von dem, was eine Technik kann, dann klingt das so: «Es ist enorm!», sagt Ueli Grossniklaus, Pflanzenforscher an der Universität Zürich. «Das Genome Editing hat unsere Arbeit im Labor und die Möglichkeiten in der Anwendung auf dem Acker verändert. Das ist voll angekommen in den Pflanzenwissenschaften.»
Gemeint ist der Einsatz der Genschere CRISPR-Cas, die statt groben Eingriffen ins Erbgut, wie mit der bisherigen Gentechnik, feines «Editieren» ermöglicht.
Der Bedarf an Lösungen, die auf dieser neuen Technik aufbauen, ist gross, nicht zuletzt in der Landwirtschaft.
Der weltweite Hunger wächst
800 Millionen Menschen hungern weltweit und es werden mehr. Wie die Weltbevölkerung ernähren? Am Food Systems Summit der UNO in New York werden Lösungsvorschläge diskutiert, auch die neue Gentechnik, Genome Editing.
Im Idealfall ziele man darauf, wo es die meisten Verluste im Feld gibt, sagt Pflanzenforscher Grossniklaus, «also Krankheiten, Schädlinge, aber auch Hitzestress oder stehendes Wasser im Feld.»
Effizienter als herkömmliche Züchtung
Lange versuchte man zum Beispiel eine Weizensorte zu züchten, die gegen Mehltau resistent ist, eine Pilzkrankheit, die Jahr für Jahr für grosse Ernteverluste sorgt.
Über herkömmliche Züchtung war eine solche Resistenz nicht zu erreichen, weil das Erbgut von Weizen gross und komplex ist. Dennoch gibt es nun eine resistente Weizensorte, sagt Ueli Grossniklaus: «Forscher in China haben das mit Genome Editing innert kürzester Zeit geschafft.» Das war 2014 aus Forschersicht ein wichtiger Durchbruch.
Anders als bei der herkömmlichen Gentechnik, die relativ grob ins Erbgut eingreift und teils artfremde Gene in die Pflanze einführt, war dieser neue Weizen mit sehr gezielten, kleinen Eingriffen ins Erbgut entstanden und im Ergebnis kaum von herkömmlich gezüchteten Sorten zu unterscheiden.
Aus dem Labor aufs Feld
Seitdem sind in den Laboren weltweit viele genomeditierte Pflanzen entstanden: Reis, der auf salzigen Böden zurechtkommt, Tomaten, die früher blühen und deshalb auf gleicher Fläche höhere Erträge liefern oder Kartoffeln, die nicht an Kraut- und Knollenfäule erkranken. All das sind Eigenschaften, die relativ leicht zu manipulieren sind.
Bei vielen dieser Sorten steht der Realitätscheck allerdings noch aus: Wird der Anbau auf dem Acker tatsächlich funktionieren?
Jedes Land reguliert anders
In den USA wird von Fall zu Fall beurteilt, ob eine manipulierte Pflanze für den Einsatz auf dem Acker zugelassen wird. Inzwischen dürfen dort einige Dutzend genomeditierter Ackerpflanzen angebaut werden.
In China wird enorm viel Geld in die Entwicklung neuer Pflanzen investiert, wie viele dieser neuen Sorten schon auf dem Acker stehen, ist aber sehr schwer zu recherchieren.
In der EU ist der Einsatz von Genome Editing restriktiv reguliert, aber es gibt Überlegungen, die Technik in Zukunft einzusetzen, um die Landwirtschaft krisenfester zu machen – vor allem angesichts der Klimaerwärmung.
Noch viel Forschung nötig
Doch so schnell der gegen Mehltau resistente Weizen entwickelt wurde oder die Kartoffel, die resistent ist gegen Kraut und Knollenfäule: Pflanzen, die mit Hitzestress, Wassermangel oder mit weniger Nährstoffen – also weniger Dünger – zurechtkommen, sind als Idee zwar schnell entworfen, welchen Eingriff es dafür ins Erbgut brauchen würde, ist aber weniger klar.
Es gibt nicht das eine Gen, das man verändern kann und schon hat man Pflanzen, die Stickstoff oder Wasser effizienter nutzen.
Das sagt Catherine Feuillet, die lange in der Schweiz geforscht hat, und nun für den amerikanischen Saatgut-Entwickler Inari arbeitet: «Es gibt nicht das eine Gen, das man verändern kann und schon hat man Pflanzen, die Stickstoff oder Wasser effizienter nutzen.»
Man müsse die Biologie besser verstehen, also wie Pflanzen Wasser und Nährstoffen aufnehmen und damit haushalten. Diese Vorgänge seien komplex, und an dieser Komplexität sei die Biotech-Industrie bisher gescheitert.
Die Zeit drängt
Doch sie erwartet für die kommenden Jahre Fortschritte, erste entsprechend editierte Soja- und Maissorten stünden schon in den Inari-Gewächshäusern und auf den Versuchsfeldern.
«Klassische Züchtung kann nicht schnell genug liefern, was wir brauchen», so Feuillet: «Robuste neue Pflanzensorten, die mit dem sich ändernden Klima zurechtkommen und Erträge liefern.»
Ueli Grossniklaus von der ETH Zürich pflichtet ihr bei und ergänzt: «Wir sind in einer schwierigen Situation. Wir haben sehr viele Menschen auf dieser Erde und wir haben limitierte Ressourcen zur Produktion von Lebensmitteln. Wir müssen alles brauchen, was möglich ist.»
Soweit die Sicht und die Hoffnungen der am Genome Editing beteiligten Forscher. Was fehlt, ist die Debatte, wie viel Genome Editing in der Landwirtschaft gesellschaftlich gewollt wäre, sowohl in Schweiz als auch global, und welche Risiken die neue Technik allenfalls mit sich bringt.