Dieser Frage ist Eva Knop seit vielen Jahren auf der Spur. Die Ökologin zählt zu den weltweit renommiertesten Forschenden in Sachen Lichtverschmutzung. 2017 hatte Eva Knop erstmals nachgewiesen, dass künstliches Licht zu einem deutlichen Rückgang der Bestäubung bei Nacht führt.
Auswirkungen auch am Tag
Ihre neusten Forschungsergebnisse lassen wieder aufhorchen: 20 Prozent der Pflanzen, die nachts Kunstlicht ausgesetzt sind, erhalten auch am Tag weniger Blütenbesuche durch Insekten. Die Auswirkungen von nächtlichem Kunstlicht sind damit deutlich gravierender als bislang angenommen.
Zehn Millionen tote Insekten jede Nacht
Nachtaktive Insekten orientieren sich an den Himmelskörpern – an Mond und Sternen. Durch die zunehmende Lichtverschmutzung ist dieses Orientierungsverhalten gestört. Jede Nacht schwirren tausende von ihnen in endlosen Kreisen um künstliche Lichtquellen, bis sie vor lauter Erschöpfung verenden.
Schätzungen zufolge sterben in der Schweiz etwa zehn Millionen Insekten durch Aussenbeleuchtung – in einer einzigen Sommernacht. Fortpflanzung, Nahrungssuche und die nächtliche Bestäubung werden so behindert.
Für Eva Knop kommt das zu einer beunruhigenden Entwicklung hinzu: «Wir haben allgemein eine grosse Bestäuberkrise mit einem Bestäubungsdefizit an vielen Orten. Es gibt Orte auf der Welt, wo man schon von Hand bestäubt.» Die Lichtverschmutzung verschärft dieses Problem zusätzlich – mit kaum absehbaren Folgen für die Biodiversität aber auch den landwirtschaftlichen Ertrag.
Dem Phänomen auf der Spur
Aktuelle Experimente der Universität Zürich und der Bundesforschungsanstalt Agroscope sollen nun weitere Erkenntnisse zu den dahinterstehenden Mechanismen liefern. Dafür haben Eva Knop und ihr Team insgesamt fast 400 Topfpflanzen gesetzt. Jede Nacht wird ein Teil von ihnen mit LED-Strassenlaternen beleuchtet. Der Rest bleibt im Dunkeln.
Mit Duft- und Nektarproben sowie Messungen der Blüten, Knospen und Blätter will Knop herausfinden, ob sich die Pflanzen unter Kunstlicht weniger «attraktiv» für Bestäuber entwickeln.
Sind Schädlinge unter Kunstlicht gefrässiger?
Beschädigte Pflanzen sind für potenzielle Bestäuber deutlich unattraktiver. Duftstoffe, welche die Pflanzen gegen die Schädlinge einsetzen, könnten diesen Effekt noch verstärken, denn auch Bestäuber werden durch den Duft abgehalten und meiden die Pflanzen.
Blühen die Pflanzen zu früh?
Resultate werden gegen Ende des Sommers vorliegen. Doch bereits jetzt zeigt sich eine erste Tendenz: Die Pflanzen unter den Strassenlaternen beginnen offenbar früher zu blühen. Das kann problematisch sein, da das Blühverhalten von Pflanzen und die Aktivität vieler Bestäuber von Natur aus synchronisiert ist. Beginnen Pflanzen zu früh zu blühen, fehlen möglicherweise wichtige Bestäubergruppen.
«Man realisiert, dass sich Lichtverschmutzung nicht nur negativ auf den Menschen und beispielsweise seinen Schlafrhythmus auswirkt, sondern eben auch auf die Natur”, sagt Eva Knop.
Sie hofft, dass das Thema Lichtverschmutzung durch ihre Ergebnisse an Brisanz gewinnt. Denn der Rückgang der Bestäubung – ob am Tag oder bei Nacht – zeigt bereits jetzt gravierende Auswirkungen.