Mit 15 sieht Ulrike Pfreundt beim Schnorcheln in Ägypten zum ersten Mal ein Korallenriff. Seither ist sie fasziniert von diesen farbenfrohen, artenreichen Lebensräumen: «Als Kind hat mich der Regenwald fasziniert, weil es da auch wimmelt von wahnsinnig vielen verschiedenen Organismen. Ich sage immer, ich bin ein Biodiversitäts-Nerd», so Pfreundt scherzhaft.
Korallenriffe: Naturwunder in Gefahr
Doch sie musste mitansehen, wie sich der Zustand der Korallenriffe dramatisch verschlechterte. Die Riffe leiden wie kaum ein anderes Ökosystem unter den Folgen des Klimawandels.
Die Erwärmung der Meere führt zu Korallenbleichen, was die Korallen oft absterben lässt. Auch die Überfischung und die Verschmutzung der Meere machen den Korallenriffen zu schaffen. Gemäss der UNO sind die Hälfte aller Korallenriffe weltweit bedroht, und ein Fünftel wurde bereits irreversibel zerstört.
«Ich muss etwas machen können»
Ulrike Pfreundt hatte inzwischen Meeresbiologie und Genetik studiert. 2016 war sie als Postdoktorandin an die ETH Zürich gekommen, um an tropischem Plankton zu forschen.
Als sie beim Tauchen sah, wie rapide es den Korallenriffen schlechter geht, war sie schockiert. Und sie dachte sich: «Ich bin doch Meeresbiologin. Ich muss doch da was machen können.»
Künstliche Riffe aus dem 3D-Drucker
Gemeinsam mit der Künstlerin Marie Griesmar entwickelte Pfreundt Bausteine aus Terrakotta-Ton für künstliche Riffe. Die Idee dahinter: Den Lebensraum Korallenriff wiederaufbauen, indem man die dreidimensionale Struktur der Riffe nachbaut.
Auf der Oberfläche können sich dann Korallenlarven, Algen und Schwämme niederlassen. Weil die Bausteine hohl sind, finden auch grössere Riffbewohner wie Fische Unterschlupf.
Die ersten Tests im Meer vor den Malediven waren vielversprechend: Auf kleinen Tonquadraten mit 3D-gedruckten Oberflächenstrukturen haben sich verschiedene Riffbewohner angesiedelt – neben mehreren Korallenarten auch Algen, Schwämme und Seescheiden.
Die Zeit drängt
Mittlerweile hat Ulrike Pfreundt aus dem Forschungsprojekt ein Non-Profit-Start-up gemacht: Mit ihrem Verein rrreefs will sie die künstlichen Riffe schneller weiterentwickeln, als das an der Uni möglich wäre.
Die Meeresbiologin spürt durch das drohende Massensterben der Korallenriffe einen gewissen Zeitdruck. Das Jungunternehmen finanziert sich durch Spenden, Stiftungsbeiträge und Crowdfunding.
Kilometerlange Riffe als Fernziel
Im September steht für das kleine Team von rrreefs der nächste grosse Schritt an: Auf der Insel San Andrés vor Kolumbien soll in wenigen Tagen ein Test-Riff auf 230 Ton-Bausteinen entstehen.
Das Fernziel des Projekts ist es, kilometerlange Riffe herstellen zu können, die sowohl für den Küstenschutz als auch für die Artenvielfalt dienlich sind. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Realistisch statt utopisch
Davon lässt sich Meeresbiologin Ulrike Pfreundt nicht abschrecken: «Wir versuchen, gross zu denken, aber irgendwo muss man ja anfangen. Wenn sich man zu sehr Angst machen lässt, fängt man am Ende gar nicht an. Und das wäre auch schade.»
Ulrike Pfreundt macht sich aber keine Illusionen: Ihre künstlichen Riffe seien – wie andere Ansätze zum Wiederaufbau von Korallenriffen – kein Wundermittel, sagt sie. «Wenn wir am Grundproblem nichts ändern – an der Klimaerwärmung und der Meeresverschmutzung – dann werden wir die Korallen nicht retten können.»