Bauen macht Müll. Unfassbar viel Müll. «Die Bauwirtschaft verbraucht weltweit 40 bis 60 Prozent aller Materialressourcen», schätzt Enrico Marchesi von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. «Die Branche ist verantwortlich für bis zu 50 Prozent aller Abfälle.»
Wie Recycling beim Bauen funktionieren könnte, testen Empa-Ingenieure in Dübendorf. Der Prototyp einer Wohnung ist so konstruiert, dass alle Materialien komplett wiederverwertet oder kompostiert werden können.
Ehrgeiziges Fernziel
Das Ziel müsse es sein, künftig 100 Prozent der Baustoffe zu rezyklieren, so Marchesi. Unsere natürlichen Ressourcen seien nun mal beschränkt.
Das heisst: Viele Bau-Rohstoffe wie Metalle oder Bausand sind nicht endlos verfügbar. Irgendwann werden sie komplett abgebaut sein – und verbaut
In unseren Städten lagern mittlerweile grosse Mengen wertvoller Rohstoffe, erklärt Felix Heisel. Er hat die rezyklierbare Empa-Wohneinheit als Architekt mitentwickelt. «Heute steckt mehr Kupfer in der gebauten Umwelt, als in der Erdkruste als Reserve bekannt ist.»
Verlängerung einer Sackgasse
Diese Baumaterialen müsse man wiedergewinnen. Zwar wird Bauschutt heute oft weiterverwertet.
Von echtem Recycling sei das aber weit entfernt, wie Marchesi an einem Beispiel erklärt: «Wenn eine Betonmauer abgerissen wird, wird sie geschreddert und zum Beispiel im Strassenbau verwendet.»
Doch spätestens beim Abbau der Strasse würden die Betonteile auf einer Deponie landen.
«Das ist keine Lösung, sondern die Verlängerung einer Sackgasse», meint Marchesi. Er fordert einen endlosen Kreislauf, in dem alle Materialien wieder und wieder zum Einsatz kommen.
Dafür müssen alle Bauwerke am Ende ihrer Nutzung in die Ausgangsstoffe zerlegt werden. Technisch sei das heute möglich, so Marchesi. Nur seien unsere Gebäude so gebaut, dass dies viel zu teuer wäre.
Bauen, um es wieder zu zerlegen
Anders bei der experimentellen Wohneinheit der Empa: «Überspitzt gesagt, könnten zwei Leute mit einem Akkuschrauber das Wohnmodul sortenrein zerlegen», meint Marchesi, der bei der Empa für das Projekt verantwortlich ist.
«Das hat damit zu tun, dass es nur wieder lösbare Verbindungen gibt. Es gibt kein Silikon, keine Klebverbindungen und keine Beschichtungen.» Alles sei geschraubt, verschränkt oder verklemmt, beschreibt Enrico Marchesi.
Ingenieure und Architekten haben dabei auch neue Verbindungstechniken entwickelt. Sie kreierten etwa eine Backsteinwand, die ohne Mörtel auskommt.
Die verwendeten Steine haben Löcher und werden auf Metallstangen aufgefädelt. «Das nennt man ‹Design for Disassembly›», sagt Marchesi. «Auf gut Deutsch: Bauen, um es wieder auseinanderzunehmen.»
Von «Urban Mining» zum Materiallager
Damit man künftig weiss, wo welche Rohstoffe verbaut sind, fordern Marchesi und Heisel eine Art Lagerlogistik-System, das die Ware Baumaterial verwaltet.
Sie gehen so einen Schritt weiter als die aktuell verbreitete Idee des «Urban Mining», die Städte als Rohstoffminen betrachtet. «In der Zukunft versuchen wir gar nicht mehr, eine städtische Mine zu bauen», so Architekt Heisel. «Sondern ein Materiallager.»