Wie viel Plastikabfall in unseren Meeren herumtreibt, könne niemand so genau sagen, sagt Lars Gutow, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Die Grössenordnung ist aber klar: Es geht um Millionen von Tonnen.
Das ist schlecht: Krebse, Schildkröten oder Wale können Plastikteilchen verschlucken. Wenn sie zu viel von diesen Teilchen im Magen haben, die ihnen aber keine Energie liefert, können sie verhungern. Eine andere Gefahr sind verloren gegangene Fischernetze, sogenannte Geisternetze, in denen Tiere sich verfangen.
Unbeabsichtigt gefangene Organismen
Die naheliegende Lösung: den Abfall einsammeln. Nur: So simpel das klingen mag, ist es nicht: «Möchte man wirklich substanzielle Mengen aus den Ozeanen herausholen, braucht es Methoden, die sozusagen nicht wählerisch sind. Mit diesen lässt sich praktisch nicht vermeiden, dass gleichzeitig viel biologisches Material herausgenommen wird», sagt Gutow.
Möchte Ocean Cleanup wirklich effizient so viel Plastik herausholen, wie sie ursprünglich in Aussicht gestellt haben, dann müssen sie das Sammeln deutlich intensivieren.
Kleine Krebse etwa, die genau wie der Plastikabfall von der Meeresströmung transportiert werden und sich darum an denselben Orten ansammeln. Aber auch grössere Tiere: Fische, Haie, Tintenfische oder Schildkröten. Sie tummeln sich dort, weil sie von den kleinen Tierchen – ihrer Nahrung – angezogen werden.
Im Plastikabfall wimmelt es also von Lebewesen, die dann unbeabsichtigt mitgefangen werden. Etwa mit Netzen, die Schiffe hinter sich herziehen. Ein prominentes Beispiel dafür ist eine Initiative aus den Niederlanden, The Ocean Cleanup. Wie die Organisation selbst schreibt, seien die Zahlen gering: Auf knapp 200'000 Kilogramm Plastik kamen etwas weniger als 700 Kilogramm Beifang, also unbeabsichtigt gefangene Organismen. Aber: «Möchte Ocean Cleanup wirklich effizient so viel Plastik herausholen, wie sie ursprünglich in Aussicht gestellt haben, dann müssen sie das Sammeln deutlich intensivieren», so Gutow. Zwangsläufig nehmen dann auch die Zahlen des Beifangs zu.
Schonend von Hand sammeln
Soll man Plastik also lieber liegen oder schwimmen lassen? «Nicht unbedingt», sagt Lars Gutow. Wichtig sei einfach, dass man ganz gezielt sammelt, statt mit der grossen Kelle, damit es der Umwelt möglichst wenig schadet. Gerade die Geisternetze seien ein gutes Beispiel dafür: Die lassen sich mit Schallwellen am Meeresboden detektieren, Taucher können sie anschliessend bergen.
Eine andere schonende Methode: Von Hand sammeln. Aktionen an Stränden sind ein Beispiel dafür. Nur: «Die Mengen, die auf diese Weise eingesammelt werden, sind sehr überschaubar», so Gutow.
Was ist das kleinere Übel?
Es ist eine Zwickmühle: Auf der einen Seite technologische Methoden, die grosse Mengen sammeln könnten, aber schlecht sind für die Tiere. Und auf der anderen Seite punktuelle Aktionen, die schonend sind, aber gleichzeitig eher ein Tropfen auf den heissen Stein.
«Es ist ein Dilemma, das sich nicht lösen lässt», sagt Gutow. Abfinden müssen wir uns mit dem ganzen Abfall im Meer aber trotzdem nicht. Nur: Anfangen am anderen Ende: «Wir müssen aufhören, dieses Material in die Ozeane hineinzupumpen.» Das sei das Allerwirksamste.