Für einen Winzer, einen Obstbauer und zwei Gemüseproduzenten ist Landwirtschaft ohne Gift kein Wunschdenken, sondern längst Alltag. Vier Landwirte, drei Fragen und eine Überzeugung: Pestizide? Nein danke.
Roland Lenz, Winzer
Wie geht Rebbau ohne Pestizide? Die gängigen Schweizer Rebsorten sind besonders anfällig auf Mehltaupilze und so kommen auch viele Bio-Weinproduzenten nicht ohne den Einsatz von Kupfer aus. Deshalb setzt Roland Lenz auf neu gezüchtete Sorten, sogenannte PIWI-Reben, die gegen Pilzbefall robust sind. Zudem überlässt er breite Streifen im Rebberg der Biodiversität und fördert so die natürlichen Feinde der Insekten, die seinen Pflanzen gefährlich werden können.
Was ist der besondere Nutzen? Regelmässige Spritzaktionen gegen Mehltau in den Reben sind aufwändig und zeitintensiv. Diese Arbeit fällt weg. Zudem wird der Boden nicht mit Kupfer belastet, welches sich in vielen Rebbergen als Schwermetall im Boden anreichert.
Wo liegen die Schwierigkeiten? Die PIWI-Sorten sind wenig bekannt und man misstraut ihrer Weinqualität. Sie haben teilweise kryptische Namen wie «Cal 1-36», weil ihnen die Behörden bis jetzt die staatliche Lizenz, die Appellation, verweigern. Das erfordert bei der Kundschaft viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit.
Helmut Müller, Obstbauer
Wie geht Obstbau ohne Pestizide? Helmut Müller setzt in seinem Obstgarten auf robuste Pflanzen und auf eine hohe Sorten-Vielfalt. Schadinsekten oder Krankheiten machen sich dadurch nur begrenzt bemerkbar.
Was ist der besondere Nutzen? Die unterschiedlichen Obst-Sorten werden zu unterschiedlichen Zeiten reif. Dadurch können Helmut Müller und seine Frau Monika Bühler das Obst der Bäume vom Frühsommer bis in den Herbst ohne zusätzliche Hilfskräfte ernten.
Wo liegen die Schwierigkeiten? Mit den bekannten Apfel- und Birnensorten wie Gala, Golden Delicious oder Williams ist diese Art des pestizidfreien Anbaus nicht möglich, denn alle diese Sorten sind stark krankheitsanfällig.
Stefan Brunner, Gemüsebauer
Wie geht Gemüsebau ohne Pestizide? Stefan Brunner bewirtschaftet seinen Biobetrieb nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft und ist dabei, auf eine Mischform aus Permakultur und Agroforstwirtschaft umzustellen. Er baut in kleinen Einheiten eine grosse Vielfalt an Gemüsesorten an und probiert ständig Neues, um die Qualität seines Bodens zu verbessern.
Was ist der besondere Nutzen? Die grosse Vielfalt an Gemüsesorten erlaubt es Stefan Brunner, das ganze Jahr hindurch ein breites saisonales Angebot anzubieten. Ausfälle einzelner Kulturen fallen dadurch weniger ins Gewicht.
Wo liegen die Schwierigkeiten? Der Aufbau einer regenerativen Landwirtschaft erfordert Zeit und die Bereitschaft, sich neues Wissen anzueignen, welches in der gängigen Ausbildung zum Landwirt nicht gelehrt wird.
Matthias Hollenstein
Wie geht Gemüsebau ohne Pestizide? Der Betrieb mit dem Namen «SlowGrow» setzt stark auf das Mulchen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Gemüsebau ist hier der Boden selten offen, sondern meist mit einer Schicht aus Pflanzenmaterial bedeckt. Dadurch ist das Bodenleben geschützt und stellt den Pflanzen die nötigen Nährstoffe zur Verfügung.
Was ist der besondere Nutzen? Die Mulchschicht auf dem Boden vermindert das Aufkommen von unerwünschten Pflanzen und hält den Boden auch bei langanhaltender Trockenheit feucht. Die Pflanzen erhalten die Nährstoffe bedarfsgerecht und wachsen in natürlichem Tempo. Dadurch sind sie kräftig und weniger anfällig auf Pilzkrankheiten oder auf Insektenfrass.
Wo liegen die Schwierigkeiten? Die Entwicklung neuer Anbaumethoden ist zeitintensiv, erfordert Ideen und Experimentierfreude und auch eine gewisse Frustrationstoleranz, wenn einmal etwas schiefgeht. Die gängige Agroforschung bietet kaum Lösungen in diesem Bereich.