Braunkohle ist in der Lausitz, einer Randregion im Osten Deutschlands, der wichtigste Industriezweig. Die Diskussion über einen Ausstieg Deutschlands aus der Kohle wird dort mit Skepsis beobachtet.
Lars Katzmarek aus Cottbus, mit 100'000 Einwohnern das Zentrum der Region, ist Elektrotechniker bei dem Konzern, der die Lausitzer Braunkohle abbaut.
Grosse Angst in der Region
Der 26-Jährige findet die Debatte um den schnellen Ausstieg grundfalsch. «Wir können nicht irgendwelche Forderungen umsetzen, die sagen: ‹In zehn Jahren ist die Kohle hier weg. Ihr müsst halt schauen, was ihr dann macht›.»
Die Angst, alleingelassen zu werden, sitzt tief. Nach dem Ende der DDR hatte Cottbus viele Jobs verloren. 30'000 Einwohner und Einwohnerinnen sind abgewandert.
«Den Menschen hier wurde damals viel versprochen», sagt Lars Katzmarek. «Gekommen ist aber dann nicht das, was ihnen versprochen wurde.»
Widersprüchliche Ziele
Viele Wissenschaftler sagen, Deutschland müsse bis 2030 alle Kohlekraftwerke abschalten, um seine Klimaziele erreichen zu können. Den Kohleangestellten aber wurde ein Betrieb bis 2045 versprochen.
Etwa 16'000 Stellen hängen in der Lausitz direkt und indirekt von der Braunkohle ab. Für eine schwache Randregion ist das viel. Zu viel.
Ökonomen haben zwar berechnet, dass bei einem Ausstieg bis 2030 die Mehrzahl der Betroffenen regulär pensioniert werden könnte.
Aber was passiert mit uns, fragt sich die junge Generation – die Generation von Lars Katzmarek.
Gründung einer Kohle-Kommission
Im Sommer hatte Kanzlerin Angela Merkel eine offizielle Kohle-Kommission eingesetzt, die Unmögliches schaffen soll: einen Austrittsfahrplan aufstellen, mit dem sowohl Klimaschützer als auch Kohlekumpel zufrieden sind.
Die Kommission ist breit abgestützt, mit kohlefreundlichen Gewerkschaftern, Politikern und Ökologen. Trotzdem misstraut Katzmarek dieser Kommission. «Die Leute entscheiden dort über Dinge, deren Konsequenzen sie nicht ausbaden müssen. Es ist einfach, etwas zu entscheiden, wenn du weit weg bist.»
Gegner und Befürworter aus der Region
Allerdings hat die Kohle-Kommission auch zwei Mitglieder aus der Lausitz, eine Gegnerin des schnellen Ausstiegs – und eine Befürworterin. Hannelore Wodtke will, dass die Lausitz den Ausstieg aus der Kohle möglichst bald schafft. Sie sitzt im Parlament des Städtchens Welzow.
Welzow liegt mitten im Abbaugebiet: Eine gigantische schwarz-braune Furche, über 100 Meter tief, zieht sich bis zum Horizont. Mittendrin ein stählernes Ungetüm, das die Kohle aus dem Boden gräbt. Einst standen hier 36 Ortschaften. Sie wurden für die Kohle weggebaggert.
«Das ist schlimmer als 'ne Mondlandschaft. Eine öde, furchterregende Landschaft», sagt Wodtke. «Das ist Raubbau an der Natur erster Klasse.»
Nacht über Welzow
Hannelore Wodtkes Haus liegt wenige 100 Meter vom Tagebau entfernt. «Ich kann bei offenem Fenster nicht schlafen, der Lärm ist enorm hoch.» Auch der Kohlestaub sei eine Belastung. «Wenn wir Ostwind haben, wird es plötzlich Nacht über Welzow.»
Bis 2020 will der Kohlekonzern entscheiden, ob auch Wodtkes Nachbarschaft abgebaggert werden soll. 365 Leute wären betroffen. Manche haben nichts gegen eine Umsiedlung, es winkt ein neues Haus. Andere jedoch wollen das um keinen Preis.
Doch nicht nur der Heimatschutz ist der Kohlegegnerin Wodtke wichtig, auch der Klimaschutz: «Wir sind mitbeteiligt daran, dass es den Leuten in den armen Ländern so schlecht geht. Die Verantwortung für alle Menschen, die tragen wir hier doch auch.»
Die Angst vieler Lausitzer vor einem erneuten Umbau ihrer Wirtschaft versteht Hannelore Wodtke: «Es wird schwer, aber es kann gelingen. Man hätte allerdings viel früher anfangen müssen. Die Politik hätte vor zehn Jahren aufwachen müssen. Dann hätten wir die Probleme, die wir heute haben, nicht.»
Hochgesteckte Ziele
Ursprünglich hätte die deutsche Kohle-Kommission am 28. November ihren Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohle bekannt geben sollen: pünktlich zum Beginn der Uno-Klimakonferenz in Kattowitz. Aber dies sei viel zu ehrgeizig gewesen, sagt Hannelore Wodtke.
«Die Kanzlerin wollte für Kattowitz etwas vorzeigen. Deshalb hat sie diesen Termin so knapp gesteckt. Jetzt ist sie allerdings eingeknickt.» Eingeknickt vor den Ministerpräsidenten Brandenburgs und Sachsens, die weiter Druck für einen späteren Ausstieg machen.
Schneller Ausstieg ist unrealistisch
Deutschland sieht sich gerne als Vorreiter beim Schutz des Klimas. Doch nun muss die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze an der Konferenz in Kattowitz zugeben, dass wohl nicht einmal das reiche Deutschland den schnellen Abschied von der Kohle schafft.
Und in der Lausitz werden sich weiterhin die zwei Lager gegenüberstehen.