Ende der 1980er-Jahre wurde Markus Jenny von der Vogelwarte Sempach in den Kanton Schaffhausen geschickt, genauer in den Klettgau, eine weite Ackerlandschaft. «Hier lebten damals die letzten Rebhühner», sagt Jenny, während über ihm die Feldlerchen jubilieren.
Der Biologe suchte nach Bauern, die gegen eine Entschädigung einen Teil ihrer Ackerfläche nicht mehr mit Gerste oder Weizen bebauten, sondern sogenannte Biodiversitäts-Förderflächen anlegten.
Ein modernes Gerstenfeld ist so dicht bewachsen, dass eine Feldlerche gar nicht mehr drin brüten kann
Das sind Streifen im Ackerland, auf denen bunte Blumen, Kräuter und niedrige Hecken wachsen. Diese Flächen dienen als Rückzugs- und Brutort für die Tiere. «Denn ein modernes Gerstenfeld ist so dicht bewachsen, dass eine Feldlerche gar nicht mehr drin brüten kann», erzählt Markus Jenny, der seit Kurzem pensioniert ist.
Es braucht mindestens fünf bis zwölf Prozent Fläche für die Tiere
Die Rebhühner, die es vor der Industrialisierung der Landwirtschaft zu Tausenden auf den Schweizer Äckern gab, sind dennoch verschwunden. Es sei nur noch eine kleine Restpopulation gewesen, so Jenny. Ein strenger Winter und der Fuchs machten ihnen den Garaus. Doch andere Arten wie der Feldhase oder die Feldlerche konnten sich halten. «Es gibt hier im Klettgau etwa 130 Brutpaaren auf fünf Quadratkilometern. Das sind mehr Feldlerchen als im ganzen Kanton Zürich und Aargau zusammen.»
Langjährige wissenschaftliche Bestandsaufnahmen haben gezeigt: Es braucht genügend Biodiversitäts-Förderflächen. «Gut fünf bis zwölf Prozent Fläche müssen es sein», so der Biologe. Andernorts im Klettgau mit nur fünf Prozent ist die Zahl der Feldlerchen und Hasen stark zurückgegangen. Im gesamten Mittelland ist der Bestand in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent eingebrochen.
Eine weitere Möglichkeit, die Tiere zu fördern, ist lückiger zu säen, so dass die Getreidefelder nicht überall so dicht wachsen. Und schliesslich können auch alte Getreidesorten wie Emmer oder Einkorn gesät werden. In beiden Fällen gibt es allerdings weniger Ertrag.
Fläche am schattigen Waldrand nützt Feldlerchen nichts
Jenny hat mit diesen Biodiversitäts-Förderflächen die Schweizer Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte mitgeprägt. Er sei jedoch enttäuscht vom Bauernverband, der sich dagegen wehre, die Zahl der Fläche auch im guten Ackerland auszubauen: «Es nützt den Lerchen und allen anderen Tieren nichts, wenn diese Flächen irgendwo am schattigen Waldrand, auf Restflächen und vor allem in den Voralpen angelegt werden.»
Mit den Bäuerinnen und Bauern gebe es in vielen Fällen immer wieder eine gute Zusammenarbeit, so Markus Jenny. Sein jüngstes Vorzeigeprojekt ist der Hof von Urban und Nadine Dörig auf dem Pachtbetrieb St. Katharinental (TG). Sie haben zehn Prozent Biodiversitätsfläche mitten in den Äckern angelegt und schon nach zwei Jahren ist die Zahl der Insekten deutlich gestiegen. Das zeigt die wissenschaftliche Untersuchung dazu. «Wir brauchen mehr solche Vorzeigebetriebe, die man besichtigen kann», sagt Jenny.
Um die Biodiversität auf Äckern und Wiesen gezielt zu fördern, fliessen jedes Jahr knapp 450 Millionen Franken Steuergelder als Direktzahlungen an die Bauern. Trotzdem ist die Zahl der Tier- und Pflanzenarten weiter zurückgegangen. «Das ist stossend», sagt Jenny, «aber was wir im Klettgau zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern geleistet haben, darauf bin ich stolz».