Johann Jakob von Tschudi, auch der «Schweizer Humboldt» genannt, wurde 1838 vom Naturhistorischen Museum in Neuenburg auf die Reise geschickt. Eigentlich sollte Tschudi auf Weltreise gehen. Aber als er 1838 in Peru landete, blieb er 5 Jahre. Von dort schickte er über 1000 ausgestopfte Tier-Exemplare ans Museum. Diese peruanische Fauna ist jetzt in der Ausstellung «Naming Natures» zu sehen: darunter u.a. Vögel, Affen, Meerschweinchen und natürlich Lamas und Alpakas.
Zufällige Namensgebung
Die Ausstellung erforscht, wieso es wichtig ist, wer Tierarten ihren Namen gibt. Denn willkürliche Namensgebungen führen oft zu verwirrenden Ergebnissen. Ein gutes Beispiel ist das Meerschweinchen: Das Nagetier ist weder mit Schweinen verwandt, noch kommt es aus dem Meer. Wer dem Meerschweinchen ihren irreführenden deutschen Namen gegeben hat, ist nicht genau bekannt.
Aber auch wissenschaftliche Namen haben es in sich. Tschudi nannte eine Vogelart Xiphorhynchusocellatuschunchotambo. Dieser Name ist damals wie heute mit negativen Konnotationen versehen, denn «Chuncho» bedeutet so viel wie «unzivilisiert und wild». Den Namen benutzten christliche Missionare im 19. Jahrhundert für die lokale Bevölkerung.
Die wichtige Rolle des Namensgebers
ETH-Professor Tomás Bartoletti erklärt, warum es ausschlaggebend ist, wer einem Tier den Namen zuteilt: «Die Benennung eines Wesens etabliert zugleich ein Machtgefälle und manifestiert eine Aneignung. Zusätzlich brachte Tschudi zwar seine westlichen Forschungsmethoden mit, aber die haben die Tierkenntnisse der lokalen Bevölkerung oft aussenvorgelassen.»
Wissenschaft und Kolonialismus
Die Ausstellung dekonstruiert die Glorifizierung westlicher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, und verdeutlicht deren entscheidende Rolle im Kolonialismus. Tiere, Pflanzen, Objekte, menschliche Überreste und Artefakte aus aller Welt wurden in europäischen Museen gesammelt und als Trophäen kolonialer Errungenschaften ausgestellt.
Die Forschung und systematische Klassifizierung der Natur hatte auch wirtschaftliche Interessen zum Ziel. Sie führte schlussendlich zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im globalen Süden, die bis heute aktiv ist. Auch die Schaffung kultureller Hierarchien, die die koloniale Agenda stützte, findet hier ihren Ursprung.
Namen, die bis heute wirken
Dies hat in der lokalen Bevölkerung und indigenen Gemeinschaften der kolonisierten Gebiete tiefe Wunden hinterlassen, die bis heute spürbar sind.
Es ist wichtig, neue Bilder zur kolonialen Geschichte zu erschaffen, um sowohl ein neues Narrativ für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zu gestalten.
Das Kuratoren-Team, bestehend aus der Künstlerin und Forscherin Denise Bertschi und dem ETH-Professor Tomás Bartoletti haben deshalb 13 Kunstschaffende aus Lateinamerika und der Schweiz eingeladen. Damit wollten sie Stimmen jenseits der westlichen wissenschaftlichen Gemeinschaft einen Platz geben. «Es ist wichtig, neue Bilder zur kolonialen Geschichte zu erschaffen, um sowohl ein neues Narrativ für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zu gestalten», sagt Denise Bertschi.
Die transdisziplinäre Ausstellung spricht Besucher und Besucherinnen auf vielen Ebenen an und hinterfragt die westliche Weltanschauung. Durch den künstlerisch-wissenschaftlichen Zugang wird die cartesianische Denkweise, also die Trennung zwischen Mensch und Natur, infrage gestellt.
Die künstlerisch-wissenschaftliche Ausstellung wurde vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziert.