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Die Natur benennen Wieso es wichtig ist, wer Tierarten den Namen gibt

Die Ausstellung «Naming Natures» im Naturhistorischen Museum in Neuchâtel geht dieser Frage nach.

Johann Jakob von Tschudi, auch der «Schweizer Humboldt» genannt, wurde 1838 vom Naturhistorischen Museum in Neuenburg auf die Reise geschickt. Eigentlich sollte Tschudi auf Weltreise gehen. Aber als er 1838 in Peru landete, blieb er 5 Jahre. Von dort schickte er über 1000 ausgestopfte Tier-Exemplare ans Museum. Diese peruanische Fauna ist jetzt in der Ausstellung «Naming Natures» zu sehen: darunter u.a. Vögel, Affen, Meerschweinchen und natürlich Lamas und Alpakas.

Zufällige Namensgebung 

Die Ausstellung erforscht, wieso es wichtig ist, wer Tierarten ihren Namen gibt. Denn willkürliche Namensgebungen führen oft zu verwirrenden Ergebnissen. Ein gutes Beispiel ist das Meerschweinchen: Das Nagetier ist weder mit Schweinen verwandt, noch kommt es aus dem Meer.  Wer dem Meerschweinchen ihren irreführenden deutschen Namen gegeben hat, ist nicht genau bekannt.  

Wie Tiere und Pflanzen benannt werden

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Pflanzen und Tiere werden je nach Kontext auf unterschiedliche Weise benannt. Umgangssprachliche Namen variieren von einer Kultur zur anderen. Unter den zahlreichen Exemplaren, die Tschudi nach Neuenburg brachte, hatten viele umgangssprachliche Namen in Quechua, Asháninka oder anderen peruanischen Sprachen.  

Im Kontext der europäischen Kolonialexpansion wurden massenhaft Pflanzen und Tiere aus der ganzen Welt zu wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken untersucht. Die existierenden Trivialnamen für verschiedene Arten weltweit erschwerten die internationale Kommunikation.

Um ein Protokoll zur Benennung von Arten einzuführen und sicherzustellen, dass jede Art einen einzigartigen Namen für die wissenschaftliche Gemeinschaft erhält, entstand im 17. Jahrhundert ein System der binomischen Nomenklatur. Dieses System, das im 18. Jahrhundert von Carl von Linné (1707–1778) verbreitet wurde, ist bis heute der internationale Standard für wissenschaftliche Namen. Dabei wird jeder Art ein einzigartiger, aus zwei Teilen bestehender Namen zugewiesen. Der erste Teil bezieht sich auf die Gattung, der zweite Teil auf die spezifische Art der Gattung. Ein Beispiel: Felis catus ist der binomische Name für die Hauskatze. 

Aber auch wissenschaftliche Namen haben es in sich. Tschudi nannte eine Vogelart Xiphorhynchusocellatuschunchotambo. Dieser Name ist damals wie heute mit negativen Konnotationen versehen, denn «Chuncho» bedeutet so viel wie «unzivilisiert und wild». Den Namen benutzten christliche Missionare im 19. Jahrhundert für die lokale Bevölkerung.  

Die wichtige Rolle des Namensgebers 

ETH-Professor Tomás Bartoletti erklärt, warum es ausschlaggebend ist, wer einem Tier den Namen zuteilt: «Die Benennung eines Wesens etabliert zugleich ein Machtgefälle und manifestiert eine Aneignung. Zusätzlich brachte Tschudi zwar seine westlichen Forschungsmethoden mit, aber die haben die Tierkenntnisse der lokalen Bevölkerung oft aussenvorgelassen.» 

Wissenschaft und Kolonialismus 

Die Ausstellung dekonstruiert die Glorifizierung westlicher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, und verdeutlicht deren entscheidende Rolle im Kolonialismus. Tiere, Pflanzen, Objekte, menschliche Überreste und Artefakte aus aller Welt wurden in europäischen Museen gesammelt und als Trophäen kolonialer Errungenschaften ausgestellt.

Ein ausgestopftes Meeschweinchen in einem Glaskubus, ein Mädchen mit Kopfhörern im Hintergrund
Legende: Die Ausstellung «Naming Natures» im Naturhistorischen Museum Neuenburg, zeigt die peruanische Fauna und forscht über Tierarten und ihre Namensgebung. Naturhistorisches Museum Neuchâtel

Die Forschung und systematische Klassifizierung der Natur hatte auch wirtschaftliche Interessen zum Ziel. Sie führte schlussendlich zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im globalen Süden, die bis heute aktiv ist. Auch die Schaffung kultureller Hierarchien, die die koloniale Agenda stützte, findet hier ihren Ursprung.   

Namen, die bis heute wirken 

Dies hat in der lokalen Bevölkerung und indigenen Gemeinschaften der kolonisierten Gebiete tiefe Wunden hinterlassen, die bis heute spürbar sind.

Es ist wichtig, neue Bilder zur kolonialen Geschichte zu erschaffen, um sowohl ein neues Narrativ für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zu gestalten.
Autor: Denise Bertschi Künstlerin und Forscherin

Das Kuratoren-Team, bestehend aus der Künstlerin und Forscherin Denise Bertschi und dem ETH-Professor Tomás Bartoletti haben deshalb 13 Kunstschaffende aus Lateinamerika und der Schweiz eingeladen. Damit wollten sie Stimmen jenseits der westlichen wissenschaftlichen Gemeinschaft einen Platz geben. «Es ist wichtig, neue Bilder zur kolonialen Geschichte zu erschaffen, um sowohl ein neues Narrativ für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zu gestalten», sagt Denise Bertschi.

Die transdisziplinäre Ausstellung spricht Besucher und Besucherinnen auf vielen Ebenen an und hinterfragt die westliche Weltanschauung. Durch den künstlerisch-wissenschaftlichen Zugang wird die cartesianische Denkweise, also die Trennung zwischen Mensch und Natur, infrage gestellt.

Enthüllende Namen

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Die Arbeiten von Carl von Linné machten das System der binomischen Nomenklatur populär. Doch welche Kriterien beeinflussen die Wahl dieser Namen durch Taxonomen? Und was passiert, wenn die Kriterien von damals nicht mehr mit den heutigen Werten vereinbar sind? Die Relevanz vieler wissenschaftlicher Namen wird im Hinblick auf ihre rassistischen, sexistischen und kolonialen Konnotationen heute neu bewertet.

Die künstlerisch-wissenschaftliche Ausstellung wurde vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziert.

Radio SRF 2 Kultur, 15.01.2025, 17:10Uhr

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