Zum Inhalt springen

Gewässer in Gefahr Invasion der Quaggamuschel – das können wir dagegen tun

Die invasive Quaggamuschel breitet sich explosionsartig in Schweizer Gewässern aus. Seen kollabieren, Schäden an Infrastrukturen kosten schon heute Millionen. Höchste Zeit, das Problem zu entschärfen.

Im Bodensee zeigt der Spitzenwert der letzten Messung: Auf einem Quadratmeter Seeboden leben rund 25’000 Quaggamuscheln – die Ausbreitung ist massiv. Auch im Genfer- und Bielersee ist kaum mehr eine Stelle frei.

Seit die invasive Muschel 2014 erstmals im Rhein bei Basel auftauchte, erobert sie die Schweizer Seen im Rekordtempo und haftet sich an jeder erdenklichen Unterlage fest. 

Ursprünglich stammt die Quaggamuschel aus dem Dnjepr-Delta am Schwarzen Meer. Im Gegensatz zu ihrer Heimat hat sie in den Tiefen der Schweizer Gewässer keine Fressfeinde. Hier droht die Muschel, Ökosysteme aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem sie anderen Tieren Algen und Plankton wegfrisst. Nahrungsnetze und Artengemeinschaften verändern sich, Fischbestände gehen zurück. 

Auch Seewasserwerke bleiben von der Invasion nicht verschont. Die winzigen Larven gelangen in Leitungen, wachsen zu Quaggamuscheln heran, verstopfen die Leitungen und verursachen bereits Millionenschäden.

Kontrollieren, reinigen, trocknen 

Die Verschleppung der Quaggamuschel von einem ins nächste Gewässer ist menschengemacht. Die Muscheln und ihre Larven haften an Freizeit- und Fischereiausrüstung. Sie kommen als blinde Passagiere mit, wenn wir Boote, Luftmatratzen oder Stand-up Paddles transferieren. 

«Es ist frustrierend, dass es passiert und wie schnell es passiert», sagt Julie Conrads, Wasserökologin an der Eawag. «Man muss jetzt zwingend schauen, dass sich die Muschel nicht noch schneller verbreitet». Das heisst konkret: 

Gewässerwechsel sind zu vermeiden. Im Falle eines Wechsels ist das benutzte Material auf organische Rückstände zu kontrollieren und gründlich zu reinigen, möglichst mit heissem Wasser. Das Material muss vor einem Transfer vollständig trocken sein.  

Einheitliche Vorschriften fehlen 

In gewissen Kantonen gilt eine Melde- und Reinigungspflicht für Schiffe, für einzelne Seen gar ein Einwasserungsverbot. Über entsprechende Vorgaben und Abläufe informiert zum Beispiel Swiss Sailing . Die Mehrheit der Kantone hat keine Regeln in Kraft gesetzt.

Die fehlende schweizweite Gesetzgebung hat die explosionsartige Ausbreitung der Muschel begünstigt. «Wir haben einen Flickenteppich an Lösungen und da gibt es Löcher, in die man stürzt», sagt Marc Knöpfel, Geschäftsführer von Swiss Sailing. «Eine einheitliche Regulierung wäre wünschenswert, um das Problem in den Griff zu bekommen».

Immatrikulierte Boote lassen sich kontrollieren, andere Freizeitgeräte nicht. Rebekka Dorendorf, Umweltgenetikerin an der Uni Konstanz, betont: «Fliessgewässer und Seen sind sehr anfällig. Es ist wichtig, dass man sich der Verantwortung bewusst ist, die man hat». Wenn die Ausbreitung im gleichen Tempo voranschreitet, blüht den Schweizer Seen das gleiche Schicksal wie dem Lake Michigan in den USA: Die Quaggamuschel macht mittlerweile 95 Prozent dessen Biomasse aus. Da bleibt nicht mehr viel Platz für Fische – und auch das Baden wird unangenehm.

Einstein, 19.12.2024, 21:05 Uhr

Meistgelesene Artikel