Haben Sie schon mal etwas von «Gifted Word Learners» gehört? Kein Wunder. Denn diese «Supermerker»-Hunde, die sich ohne grossen Aufwand die Namen von bis zu 125 verschiedenen Gegenständen merken können, sind selten und weitgehend unerforscht.
«Warum sie das können, war lange ein Rätsel», so Verhaltensforscher Adam Miklosi von der Eotvos Lorand Universität in Budapest. Also rief sein Team Anfang 2020 via Social Media Besitzerinnen und Besitzer auf, ihre begabten Hunde vorzustellen – und schauten sich 41 der Super-Lerner genauer an.
Das Ergebnis: Die Hunde merkten sich innerhalb von drei Monaten durchschnittlich 29 Spielzeuge. Ohne gezielte Vorbereitung.
Zwei Jahre später, also 2022, ging das Experiment in die nächste Runde: Um herauszufinden, wie lange sich die Hunde die Namen der Objekte merken können, analysierten die Forschenden das Verhalten von fünf Border Collies, die bereits in der ersten Untersuchung dabei waren. Border Collies gelten als besonders lerneifrig.
Live: Flauschige Verhaltensforschung
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Wer’s genau wissen will. So gingen die Forschenden vor: Die Experimente erfolgten in den heimischen Spielzimmern und wurden live über Social Media übertragen.
Immer zwei Hunde mussten zum Test antreten. Die Forschenden streamten die Suchbefehle der Frauchen und Herrchen wie auch die Suche selbst live. Anschliessend wurden die Hundebesitzer gebeten, diese Spielzeuge zwei Jahre vor den Hunden zu verstecken. Leider fanden nicht alle Besitzer die Spielzeuge danach wieder, weshalb nach zwei Jahren nur drei Hunde mit allen zwölf Spielzeugen getestet werden konnten, ein weiterer mit elf und einer nur mit fünf.
Beim Merkfähigkeitstest legten die Hundehalter schliesslich einige dieser Spielzeuge, zusammen mit Objekten aus der ständig genutzten Sammlung ihres Hundes, in einen Raum. Dann setzten sie sich in ein angrenzendes Zimmer ausser Sichtweite und forderten den Hund jeweils auf, eines der zwei Jahre weggeschlossenen Spielzeuge zu holen.
Für richtig erkannte Begriffe gab es Leckerlis und Lob. Von den fünf getesteten Hunden konnten immerhin noch vier etwa drei Viertel der zwei Jahre zuvor erlernten Namen den richtigen Gegenständen zuweisen.
Bereits 2016 beobachtete Dr. Claudia Fugazza, Leiterin der Forschungsgruppe, mit ihrem Team, dass Hunde möglicherweise ein episodisches Gedächtnis besitzen. Sie wurden darauf trainiert, menschliche Bewegungen zu imitieren, dann aber stattdessen aufgefordert, sich hinzulegen. Später, nach einem oder 60 Minuten, erhielten sie unerwartet den Befehl zur Imitation und konnten sich in beiden Fällen an die Handlungen erinnern.
«Wir wissen, dass sich die meisten Hunde Ereignisse bis zu 24 Stunden lang merken können. Bei Gerüchen reicht es sogar bis zu einem Jahr», so Dr. Claudia Fugazza, Leiterin der Forschungsgruppe. Wie die neuen Ergebnisse zeigen, sind es bei Gegenständen bei manchen Hunden sogar bis zu zwei Jahre.
Vier von fünf Hunden hatten nach zwei Jahren ganze 75 Prozent der Spielzeug-Namen noch intus. Etwa 44 Prozent der Entscheidungen waren richtig, was laut Forschenden über dem Zufallswert liege.
Was diese Forschung so spannend macht: Das Langzeitgedächtnis von Wörtern spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Sprachfähigkeit beim Menschen. Hunde gelten dagegen als nicht sprachbegabte Spezies. Doch es gibt eine kleine Gruppe besonders begabter Hunde. Sind diese Hunde also besonders intelligent?
Gifted Word Learners: Was macht diese Hunde aus?
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Zusätzlich zu ihrer schnellen Lernfähigkeit, ihrem grossen Wortschatz und dem spontanen Lernen der Namen von Spielzeugen teilen die GWL-Hunde weitere gemeinsame Merkmale:
Hohe Motivation zum Spielen: GWL-Hunde zeigen oft eine starke Spielfreude, besonders im Zusammenhang mit den Spielzeugen, deren Namen sie lernen.
Enge Bindung zu ihren Besitzern: Sie neigen dazu, eine enge emotionale Verbindung zu ihren Haltern aufzubauen, was möglicherweise ihren Lernprozess unterstützt.
Intensive Aufmerksamkeit: Diese Hunde zeigen eine ausgeprägte Fähigkeit, ihre Besitzer genau zu beobachten und deren Hinweise oder Anweisungen schnell zu verstehen.
Hohes Mass an Neugier: GWL-Hunde sind oft sehr neugierig und zeigen Interesse an neuen Objekten oder Situationen, was ihnen beim Erlernen neuer Wörter helfen könnte.
Diese Merkmale scheinen GWL-Hunde von anderen Hunden zu unterscheiden und tragen zu ihrer besonderen Fähigkeit bei, Objektbezeichnungen zu erlernen, so die Forschenden aus Budapest.
«Intelligenz ist, was ein Intelligenztest misst», lautet die Definition des US-Psychologen Edwin Boring aus dem Jahr 1923. Bei uns Menschen ist das Messen simpel: In IQ-Tests berechnen wir Gleichungen, knobeln an räumlichen Denkaufgaben oder grammatikalischen Ungereimtheiten herum. Für Tiere unmöglich.
Nur spezialisierte kognitive Fähigkeiten
Hier braucht es andere Methoden, um Intelligenz – oder kognitive Fähigkeiten – wie es Forschende unverfänglicher nennen, zu testen. Mit Experimenten, in denen sie beobachten, wie Tiere Probleme in einer sich verändernden Umwelt lösen: Durchschaut es den Öffnungsmechanismus eines Futterkastens? Wie gut ist das tierische Arbeitsgedächtnis, also der Teil, in dem neue Informationen mit gespeicherten verknüpft werden?
Tiere mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten
Die Ergebnisse haben allerdings einen Haken, so der emeritierte Anthropologie-Professor Carel van Schaik: «Sie geben oft nur spezialisierte kognitive Teilfähigkeiten wieder. Das heisst: Im Experiment, das die sozial-kognitiven Leistungen zeigen soll, kann das Tier ein Überflieger sein. Im Kausalitäten-Experiment eine Niete.»
Der g-Faktor
Intelligent ist ein Tier vor allem dann, wenn die Leistungen verschiedener kognitiver Tests positiv miteinander korrelieren. Heisst: Wer in einem Experiment gut abschneidet, meistert auch die anderen. Forschende nennen das g-Faktor.
Der g-Faktor
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Der britische Psychologe Charles Spearman hat dieses Phänomen erstmals vor über 100 Jahren beschrieben. Er nannte es «positive manifold» oder den g-Faktor – den «Generalfaktor der Intelligenz». Wer ihn hat, hat Grips. Für uns Menschen gilt das übrigens auch.
Folgende Fähigkeiten prüfen Forschende, wenn sie bei Tieren nach dem g-Faktor suchen:
Gedächtnis und Umlernen: Kann sich das Tier merken, unter welchem Behälter das Futterstück versteckt ist? Sucht es unter einem anderen Behälter, wenn es plötzlich nicht mehr unter dem ersten liegt?
Kausalverständnis: Versteht das Tier Zusammenhänge? Schaut es unter und nicht auf dem Tisch, wenn ein Futterstück runterfällt?
Flexibilität: Wie löst das Tier eine ihm bekannte Aufgabe, wenn sich die Rahmenbedingungen (Lebensraum, Klima, Gruppenkonstellation) verändern?
Selbstkontrolle: Kann das Tier seine Impulse kontrollieren? Entscheidet es sich für die Schüssel mit einem Futterstück, das gleich verfügbar ist? Oder wartet es und bekommt dann die Schüssel mit drei Stücken?
Werkzeuggebrauch: Benutzt das Tier Hilfsmittel wie Stöcke, wenn es nicht an das Futterstück kommt?
So beeindruckend die Merkleistungen auch sind. Die Ergebnisse lassen sie sich nicht auf andere Hunde übertragen, da nur die Gifted-Word-Learners untersucht wurden. Fest steht aber: Im Tierreich sind sie wohl nicht die einzigen Super-Köpfe.
Ist Ihr Hund auch ein «Supermerker»?
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Die jüngste Forschung ist Teil des Projekts «Genius Dog Challenge», bei welchem besonders talentierte Hunde untersucht werden.
Das ungarische Forschungsteam sucht noch nach weiteren überdurchschnittlich begabten Hunden oder Hundegenies – egal welcher Rasse. Hundebesitzerinnen und -besitzer, die meinen, dass ihr Hund aussergewöhnliche Fähigkeiten hat, können sich melden und bei dem Projekt mitmachen.
Das geht per Mail an info@geniusdogchallenge.com – oder via Facebook und Instagram.
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