Haben Sie schon mal etwas von «Gifted Word Learners» gehört? Kein Wunder. Denn diese «Supermerker»-Hunde, die sich ohne grossen Aufwand die Namen von bis zu 125 verschiedenen Gegenständen merken können, sind selten und weitgehend unerforscht.
«Warum sie das können, war lange ein Rätsel», so Verhaltensforscher Adam Miklosi von der Eotvos Lorand Universität in Budapest. Also rief sein Team Anfang 2020 via Social Media Besitzerinnen und Besitzer auf, ihre begabten Hunde vorzustellen – und schauten sich 41 der Super-Lerner genauer an.
Das Ergebnis: Die Hunde merkten sich innerhalb von drei Monaten durchschnittlich 29 Spielzeuge. Ohne gezielte Vorbereitung.
Zwei Jahre später, also 2022, ging das Experiment in die nächste Runde: Um herauszufinden, wie lange sich die Hunde die Namen der Objekte merken können, analysierten die Forschenden das Verhalten von fünf Border Collies, die bereits in der ersten Untersuchung dabei waren. Border Collies gelten als besonders lerneifrig.
«Wir wissen, dass sich die meisten Hunde Ereignisse bis zu 24 Stunden lang merken können. Bei Gerüchen reicht es sogar bis zu einem Jahr», so Dr. Claudia Fugazza, Leiterin der Forschungsgruppe. Wie die neuen Ergebnisse zeigen, sind es bei Gegenständen bei manchen Hunden sogar bis zu zwei Jahre.
Vier von fünf Hunden hatten nach zwei Jahren ganze 75 Prozent der Spielzeug-Namen noch intus. Etwa 44 Prozent der Entscheidungen waren richtig, was laut Forschenden über dem Zufallswert liege.
Was diese Forschung so spannend macht: Das Langzeitgedächtnis von Wörtern spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Sprachfähigkeit beim Menschen. Hunde gelten dagegen als nicht sprachbegabte Spezies. Doch es gibt eine kleine Gruppe besonders begabter Hunde. Sind diese Hunde also besonders intelligent?
«Intelligenz ist, was ein Intelligenztest misst», lautet die Definition des US-Psychologen Edwin Boring aus dem Jahr 1923. Bei uns Menschen ist das Messen simpel: In IQ-Tests berechnen wir Gleichungen, knobeln an räumlichen Denkaufgaben oder grammatikalischen Ungereimtheiten herum. Für Tiere unmöglich.
Nur spezialisierte kognitive Fähigkeiten
Hier braucht es andere Methoden, um Intelligenz – oder kognitive Fähigkeiten – wie es Forschende unverfänglicher nennen, zu testen. Mit Experimenten, in denen sie beobachten, wie Tiere Probleme in einer sich verändernden Umwelt lösen: Durchschaut es den Öffnungsmechanismus eines Futterkastens? Wie gut ist das tierische Arbeitsgedächtnis, also der Teil, in dem neue Informationen mit gespeicherten verknüpft werden?
Tiere mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten
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Bild 1 von 5. Studien haben gezeigt, dass Schafe hervorragend darin sind, einander zu erkennen und die Gesichter ihrer Artgenossen über lange Zeit im Gedächtnis zu behalten. Bildquelle: Imago Images / Norbert Schulz.
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Bild 2 von 5. Weissbüschelaffen belauschen die Gespräche von Artgenossen und unterscheiden zwischen Monologen und Dialogen. Bildquelle: Imago Images / Imagebroker.
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Bild 3 von 5. Im Zoo Zürich wird gerade untersucht, ob Geckos schlau sind: Sie sollen Futterboxen von Nicht-Futterboxen unterscheiden. Erste Ergebnisse zeigen, dass einige Geckos verstanden haben, dass nur eine Box Futter enthält. Bildquelle: Imago Images / Norbert Neetz.
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Bild 4 von 5. Geradschnabelkrähen sind geschickte Werkzeugmacher, die aus kleinen Stöckchen Werkzeuge zum Graben bauen und mehrere Schritte vorausplanen, um an Nahrung zu gelangen. Bildquelle: Imago Images / Blickwinkel.
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Bild 5 von 5. Ein Border Collie namens Chaser, der im Juli 2019 starb, verstand bis zu 1022 Substantive – das grösste bisher getestete Vokabular eines Hundes. Bildquelle: Imago Images / Cavan Images.
Die Ergebnisse haben allerdings einen Haken, so der emeritierte Anthropologie-Professor Carel van Schaik: «Sie geben oft nur spezialisierte kognitive Teilfähigkeiten wieder. Das heisst: Im Experiment, das die sozial-kognitiven Leistungen zeigen soll, kann das Tier ein Überflieger sein. Im Kausalitäten-Experiment eine Niete.»
Der g-Faktor
Intelligent ist ein Tier vor allem dann, wenn die Leistungen verschiedener kognitiver Tests positiv miteinander korrelieren. Heisst: Wer in einem Experiment gut abschneidet, meistert auch die anderen. Forschende nennen das g-Faktor.
So beeindruckend die Merkleistungen auch sind. Die Ergebnisse lassen sie sich nicht auf andere Hunde übertragen, da nur die Gifted-Word-Learners untersucht wurden. Fest steht aber: Im Tierreich sind sie wohl nicht die einzigen Super-Köpfe.