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Mehr Marketing als Sensation Rückkehr des Schattenwolfs? Eine wissenschaftliche Mogelpackung

US-Forschende behaupten, den ausgestorbenen Schattenwolf wiederbelebt zu haben. Eine PR-Aktion, die auf Kritik stösst.

Darum geht’s: Die US-Biotech-Firma Colossal Biosciences sorgt mit der vermeintlichen «Wiedergeburt» des Schattenwolfs für Aufsehen. Dieser riesige Wolf mit dichtem, hellem Fell ist vor über 10’000 Jahren ausgestorben.

Die Behauptung: Die US-Firma preist auf ihrer Webseite drei gezüchtete Jungwölfe als «echte, riesige, genetisch korrekte und wissenschaftlich bestätigte Schattenwölfe» an. Damit sei es Colossal zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gelungen, eine einst ausgerottete Art wieder zum Leben zu erwecken.

Die Kritik: Unabhängige Fachleute kritisieren die Kommunikation von Colossal Biosciences scharf. Es handle sich bei den drei Wölfen um gewöhnliche Grauwölfe, die man genetisch etwas verändert hat. Und zwar so, dass sie ein bisschen aussehen, wie ein Schattenwolf vermutlich einst ausgesehen hat. Soll heissen: Die drei Mischlinge sind viel näher mit dem Grauwolf als dem Schattenwolf verwandt.

So sind die Wölfe entstanden: Ein Forschungsteam von Colossal hat das Erbgut von zwei Fossilien entschlüsselt: Schattenwölfe, die vor 13’000 und 72’000 Jahren im Gebiet der heutigen USA lebten. Diese DNA-Reste hat das Team mit der DNA des Grauwolfs verglichen. So sei es gelungen, die genetischen Eigenschaften der ausgestorbenen Art zu identifizieren und ins Erbgut des Grauwolfs einzuschleusen. Schliesslich haben die Forschenden das veränderte Erbgut in entkernte Eizellen gepackt und Hundemüttern eingepflanzt. Aus ursprünglich 45 Embryonen sind so die drei angeblichen Schattenwölfe entstanden.

Konzeptbilder von zwei Schattenwolfarten
Legende: Zwei mögliche Darstellungen des Schattenwolfs (Aenocyon dirus). Wie er tatsächlich aussah ist ungewiss. Forschende gehen davon aus, dass er schwerer und grösser war als heutige Wölfe. Sein Körper soll gedrungener, die Beine stämmiger und das Gebiss kräftiger gewesen sein. Sergio de la Rosa

So wenig Schattenwolf steckt in den Wölfen: Insgesamt enthält das Erbgut von Grauwölfen etwa 19'000 Gene. Gerade mal 14 dieser Gene hat das Forschungsteam von Colossal verändert. Ein winziger Bruchteil also. Dabei sind Grau- und Schattenwolf nicht einmal nahe miteinander verwandt. «Das wäre so, als würde man beim Schimpansen 14 menschliche Gene verändern und dann sagen, wir haben aus Schimpansen einen Menschen gemacht.» Diesen Vergleich zieht der Genetiker Axel Janke der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Mit 14 veränderten Genen erhalte man aber noch lange keine Menschen, so der Genetiker. Auch wenn diese dann vielleicht nackt wären und aufrecht gehen würden.

Weisser Wolf vor Baumstämmen
Legende: Einer der vermeintlichen Schattenwölfe im Alter von 5 Monaten. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Wölfe in einer starken Wachstumsphase. Colossal Biosciences

Die Firma, die dahinter steckt: Das 10-Milliarden-Dollar-Unternehmen Colossal Biosciences hat bereits vor einem Monat mit «Mammut-Mäusen» für Aufsehen gesorgt. Die Gene dieser Mäuse sind so verändert, dass ihr Fell dem von Mammuts ähnelt. Ein Schritt in Richtung «Wiederbelebung der Mammuts», wie Colossal schreibt. Neben bereits ausgestorbenen Tierarten will das Unternehmen aber auch vom Aussterben bedrohte Arten retten: die auf Mauritius einheimische Rosentaube zum Beispiel.

So leben die Jungwölfe jetzt

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Kleiner Wolf wird mit der Flasche gefüttert
Legende: Colossal Biosciences

Man sei stolz darauf, dem Schattenwolf seinen rechtmässigen Platz im Ökosystem zurückzugeben. Das berichtet Colossal auf seiner Webseite.

In der konkreten Umsetzung heisst das: Die Jungtiere werden mit Flasche aufgezogen, später auf einem eingezäunten Feld in einer Wildtiereinrichtung gefüttert und genau beobachtet.

Was vom Hype bleibt: Es ist nicht einfach, Erbgut aus Fossilien zu entschlüsseln. «In der Hinsicht ist es ein grosser Beitrag für die Wissenschaft und eine herausragende Leistung», räumt der Genetiker Axel Janke ein. Aber um eine ausgestorbene Art wirklich zum Leben zu erwecken, müsste man sie klonen. Das stellt Nic Rawlence, Paläogenetiker der Universität Otago, klar. Daran scheitere man aber, weil die DNA ausgestorbener Arten nicht gut genug erhalten ist. Es sei deshalb viel sinnvoller, Technologien zu entwickeln, um das Aussterben heutiger Arten zu verhindern. Also das zu erhalten, was wir noch haben.

Radio SRF 4 News, 09.04.2025, 07:45 Uhr

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