Wir machen eine kleine Reise, hin zu den Überlebenskünstlern. Nicht in exotische Länder, sondern wir finden sie direkt vor unserer Haustür.
Wer im späten Frühling oder Sommer schon auf Schneefeldern in den Bergen unterwegs war, kennt das Phänomen vielleicht: Rot gefärbter Schnee. Oft ist es nur ein leichtes rötliches Schimmern, es kann aber auch fast schon wie verwaschene Blutspuren im Schnee aussehen. Dieses seltsame Phänomen des «Blutschnees» wird von einer Lebensgemeinschaft von kleinen, einzelligen Algen ausgelöst.
Blutschnee – Schutz für die Algen
Chlamydomonas nivalis und Sanguina nivaloides sind zwei dieser Algen, die im Schnee munter überleben und Fotosynthese betreiben. Sie sammeln so Energie aus dem Sonnenlicht und bauen aus CO2 ihre Zellsubstanz auf. Wie die meisten Landpflanzen machen sie das mit grün gefärbtem Chlorophyll – und sehen manchmal auch im Schnee grün aus.
Doch wenn sie immer mehr an die Schneeoberfläche steigen im Lauf des Frühlings, müssen sie sich vor der starken Sonnenstrahlung auch schützen.
Papers zum Blutschnee
- FEMS Microbiology Ecology FEMS Microbiology Ecology
- Universität Innsbruck: Naturphänomen Blutschnee Universität Innsbruck: Naturphänomen Blutschnee
- Alpine Snow Algae Microbiome Diversity in the Coast Range of British Columbia Alpine Snow Algae Microbiome Diversity in the Coast Range of British Columbia
Das tun sie mit rötlichen Farbstoffen, den sogenannten Carotinoiden. Kommt es dann zur massenhaften Vermehrung der Algen, erscheint der Schnee rot gefärbt und wird zum «Blutschnee».
Leben im Stein
Andere Mikroben finden wenige Millimeter im Gestein drin einen Lebensraum, der ihnen sonst kaum einer streitig macht – ein grosser Vorteil und eine sogenannte «ökologische Nische». Diese Lebensgemeinschaften im Stein umfassen fast die ganze Palette von Mikroorganismen: Bakterien, Archaea, Algen und Pilze. Mindestens einige der beteiligten betreiben auch Photosynthese, mit dem typisch grün gefärbten Chlorophyll.
Die Lebewesen im Gestein drin, die sogenannten «Endolithen» kann man deshalb als grün gefärbte Schicht von blossem Auge erkennen, wenn man den Stein etwas aufbricht. Wo genau solche Gemeinschaften vorkommen, wurde noch wenig systematisch untersucht.
Man weiss aber, dass sich etwa auch in den Wänden von Gebäuden solche Lebensräume befinden können. Ein Ort in der Schweiz, wo draussen in der Natur schon Endolithen gefunden wurden, ist die Region Piora im Nordtessin.
In der Tiefe des Bergsees
Im Val Piora findet sich noch eine weitere mikrobiologische Besonderheit: Der Cadagnosee. Wer daran vorbei wandert, denkt wohl an einen ganz gewöhnlichen Bergsee. Taucht man aber in die Tiefe, ändert sich sein Wesen radikal. Das Wasser hat plötzlich keinen Sauerstoff mehr und enthält giftigen Schwefelwasserstoff, mit dem typischen Geruch nach faulen Eiern. Fische überleben das nicht, aber Archaea und Bakterien finden dort unten einen perfekten Lebensraum.
Ganz speziell eingerichtet haben es sich die Schwefelpurpur-Bakterien. Chromatium okenii Bakterien leben exakt dort im See, wo die Grenze von viel Sauerstoff zu keinem Sauerstoff liegt, in rund zwölf Metern Tiefe. Sie brauchen den stinkenden Schwefelwasserstoff von unten, der über unterirdische Quellen in den See gelangt, – brauchen aber auch Sonnenlicht von oben. Darum leben sie an dieser Grenzschicht im See und färben ihn dort mit ihren Fotosynthese-Pigmenten rosarot, in einer rund 10 bis 20 Zentimeter Schicht.