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Bakterien im giftigen Bergsee
Aus Wissenschaftsmagazin vom 16.07.2022. Bild: IMAGO / Panthermedia
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Mikroorganismen Die faszinierende Welt der Einzeller, Bakterien und Archaea

Mikroorganismen können dort existieren, wo andere Lebewesen keine Chance haben. Selbst in giftigem Wasser, innerhalb von Gesteinen oder bei eisigen Temperaturen leben sie angenehm. Und trotz ihrer kleinen Grösse lassen sie sich teilweise von Auge beobachten.

Wir machen eine kleine Reise, hin zu den Überlebenskünstlern. Nicht in exotische Länder, sondern wir finden sie direkt vor unserer Haustür.

Wer im späten Frühling oder Sommer schon auf Schneefeldern in den Bergen unterwegs war, kennt das Phänomen vielleicht: Rot gefärbter Schnee. Oft ist es nur ein leichtes rötliches Schimmern, es kann aber auch fast schon wie verwaschene Blutspuren im Schnee aussehen. Dieses seltsame Phänomen des «Blutschnees» wird von einer Lebensgemeinschaft von kleinen, einzelligen Algen ausgelöst.

Blutschnee – Schutz für die Algen

Chlamydomonas nivalis und Sanguina nivaloides sind zwei dieser Algen, die im Schnee munter überleben und Fotosynthese betreiben. Sie sammeln so Energie aus dem Sonnenlicht und bauen aus CO2 ihre Zellsubstanz auf. Wie die meisten Landpflanzen machen sie das mit grün gefärbtem Chlorophyll – und sehen manchmal auch im Schnee grün aus.

Rötlich gefärbter Schnee in den Alpen.
Legende: Rötlich gefärbter Schnee in den Alpen. Imago

Doch wenn sie immer mehr an die Schneeoberfläche steigen im Lauf des Frühlings, müssen sie sich vor der starken Sonnenstrahlung auch schützen.

Das tun sie mit rötlichen Farbstoffen, den sogenannten Carotinoiden. Kommt es dann zur massenhaften Vermehrung der Algen, erscheint der Schnee rot gefärbt und wird zum «Blutschnee».

Leben im Stein

Andere Mikroben finden wenige Millimeter im Gestein drin einen Lebensraum, der ihnen sonst kaum einer streitig macht – ein grosser Vorteil und eine sogenannte «ökologische Nische». Diese Lebensgemeinschaften im Stein umfassen fast die ganze Palette von Mikroorganismen: Bakterien, Archaea, Algen und Pilze. Mindestens einige der beteiligten betreiben auch Photosynthese, mit dem typisch grün gefärbten Chlorophyll.

Die Vielfalt der Einzeller, Bakterien und Archaea

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Mikroorganismen sind enorm divers, gerade auch in ihrer Bauweise. Man unterscheidet dabei kleine, sogenannte eukaryotische Einzeller wie etwa Algen, Pilze und Protozoen gegenüber den prokaryotischen Einzellern wie Bakterien und Archaea. Bakterien und Archaea sind die wahren Ur-Lebewesen unseres Planeten. Besonders die Archaea leben gerne dort, wo es keinen Sauerstoff hat – und damit auch in uns drin, im Darm oder unseren Zahnzwischenräumen. Draussen in der Natur findet man die Archaea etwa im Schlamm oder in sauerstofffreien Gewässern.

Bis vor rund 2.5 Milliarden gab es auf der Erde keinen Sauerstoff in Luft und Wasser wie heute – ein wahres Paradies für die Archaea. Dann begann ein Prozess, der als «Grosse Sauerstoffkatastrophe» oder auf Englisch «Great Oxidation Event» bezeichnet wird. Mikroorganismen begannen mit der oxygenenen Fotosynthese und setzten immer mehr Sauerstoff frei. Für die Archaea bedeutete das, dass sie sich immer mehr in kleine, sauerstofffreie Nischen zurückziehen mussten – bis heute.

Die Lebewesen im Gestein drin, die sogenannten «Endolithen» kann man deshalb als grün gefärbte Schicht von blossem Auge erkennen, wenn man den Stein etwas aufbricht. Wo genau solche Gemeinschaften vorkommen, wurde noch wenig systematisch untersucht.

Endolithen auf einem Stein werden untersucht.
Legende: Endolithen in einem Stein. Jan Kwiatowski & Iwona Jasser

Man weiss aber, dass sich etwa auch in den Wänden von Gebäuden solche Lebensräume befinden können. Ein Ort in der Schweiz, wo draussen in der Natur schon Endolithen gefunden wurden, ist die Region Piora im Nordtessin.

In der Tiefe des Bergsees

Im Val Piora findet sich noch eine weitere mikrobiologische Besonderheit: Der Cadagnosee. Wer daran vorbei wandert, denkt wohl an einen  ganz gewöhnlichen Bergsee. Taucht man aber in die Tiefe, ändert sich sein Wesen radikal. Das Wasser hat plötzlich keinen Sauerstoff mehr und enthält giftigen Schwefelwasserstoff, mit dem typischen Geruch nach faulen Eiern. Fische überleben das nicht, aber Archaea und Bakterien finden dort unten einen perfekten Lebensraum.

Ganz speziell eingerichtet haben es sich die Schwefelpurpur-Bakterien. Chromatium okenii Bakterien leben exakt dort im See, wo die Grenze von viel Sauerstoff zu keinem Sauerstoff liegt, in rund zwölf Metern Tiefe. Sie brauchen den stinkenden Schwefelwasserstoff von unten, der über unterirdische Quellen in den See gelangt, – brauchen aber auch Sonnenlicht von oben. Darum leben sie an dieser Grenzschicht im See und färben ihn dort mit ihren Fotosynthese-Pigmenten rosarot, in einer rund 10 bis 20 Zentimeter Schicht.

Wissenschaftsmagazin, 16.07.2022, 12:40 Uhr

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