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Der ausgetrocknete Aralsee. Es sind gestrandete Schiffe im Bild.
Legende: Dort, wo einst der Aralsee war, hat sich eine Halbwüste ausgebreitet. Die Wracks sind noch da. SRF / Thomas Häusler

Ökokatastrophe in Zentralasien Der verschwundene Aralsee könnte erst der Anfang sein

In Zentralasien braucht die Landwirtschaft enorm viel Wasser. Der Aralsee ist bereits ausgetrocknet. Künftig wird das Wasser noch knapper.

Abdusalom Kadirov hat eines der wichtigsten Ämter, die es in Zentralasien gibt. Er ist Schleusenwärter am Khojabakirgan-Kanal und damit Herr über zwei Klappen, die er öffnen und schliessen kann.

Damit entscheidet Kadirov, wie viel Wasser die Dörfer der Gegend bekommen. «Das Wasser kommt aus den Bergen», sagt er: «Es ist für die Bauern das wichtigste Thema.»

Ein Mann steht an einer kleinen Schleuse.
Legende: Abdusalom Kadirov verteilt das Wasser aus dem Khojabakirgan-Kanal an die Bauern. SRF / Thomas Häusler

Die Berge bilden den Horizont. Sie sind braun und kahl. Das Ferghanatal, durch das sich der Khojabakirgan-Kanal windet, ist trocken. Hier kommt viermal weniger Wasser vom Himmel als am trockensten Ort der Schweiz.

Trotzdem ist das grosse Tal – dank den über hunderttausend Kilometer Kanäle – eine Oase in der Halbwüste. Wo sie Wasser hinleiten, liegen grüne Äcker, Obsthaine, sogar Reisfelder. Daneben: Sand und Geröll. Ohne Bewässerung wäre Landwirtschaft hier unmöglich.

Karte von Aerghanatal und Aralsee

Die Landwirtschaft ernährt die 14 Millionen Einwohner des Ferghanatals. Doch die Idylle trügt: Der Wasserverbrauch ist enorm, dessen Folgen sind für die Umwelt gravierend. Eigentlich würde das Wasser des Khojabakirgan-Flusses nach einer tausend Kilometer langen Reise den Aralsee speisen.

Doch fast nichts davon kommt an. Schleusenwärter wie Abdusalom Kadirov leiten alles auf die Felder.

Dies ist das Schicksal der meisten Flüsse in Zentralasien. Der Aralsee, einst der viertgrösste der Welt, ist so gut wie verschwunden.

«Die wohl grösste Umweltkatastrophe»

Der ehemalige Seeboden ist heute eine Salzwüste. Stürme verteilen das Salz über Hunderte von Kilometern.

Das schädigt Mensch und Umwelt. Uno-Generalsekretär António Guterrez nannte es «die wohl grösste Umweltkatastrophe, die der Mensch in neuerer Zeit verursacht hat».

Jetzt droht neues Ungemach, sagt Marian Szymanowicz. Er arbeitet als Projektleiter bei der Schweizer Hilfsorganisation Helvetas: «Die Bevölkerung im Ferghanatal wird sich bis 2030 verdoppeln. Damit wird der Wasserverbrauch weiter zunehmen.» Die Bauern des Tals reklamieren schon jetzt 80 Prozent des Wassers für sich.

«Bereits heute ist die Situation angespannt», sagt Szymanowicz, «und es wird noch kritischer werden.» In Zukunft wird wegen des Klimawandels ausgerechnet im Sommer das Wasser knapper werden – genau dann, wenn die Bauern besonders darauf angewiesen sind.

Plantschende Menschen in einem Brunnen.
Legende: Brunnen in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Obwohl Wasser knapp ist, gibt es viele davon in der Stadt. SRF / Thomas Häusler

Helvetas hilft den Bauern im Ferghanatal, sparsamer mit Wasser umzugehen. Die Kanäle sind marode, Unmengen von Wasser versickern im Boden. Die Bauern verwenden ineffiziente Bewässerungstechniken und verschwenden damit viel Wasser.

Sparsamkeit würde nicht nur der Umwelt nutzen und die Zukunft sichern. Sie könnte auch helfen, Konflikte zu vermeiden.

Die Sache mit der Grenze

Konflikte ums Wasser gehörten zum Alltag, sagt Schleusenwärter Abdusalom Kadirov. Immer, wenn das Wasser knapp sei, kämen die Bauern zu ihm und beklagten sich. Sie sagten: «Diesen Frühling hatte es zu wenig Wasser, darum waren die Zwiebel- und die Weizenernte schlecht.»

Und dann ist da die Sache mit der Grenze. Kadirovs Schleuse liegt in Tadschikistan. Auch seine Kunden haben ihre Äcker auf tadschikischem Boden.

Blick auf eine grüne Landschaft mit Bäumen.
Legende: Obsthain mit Bewässerungskanal im Ferghanatal. SRF / Thomas Häusler

Auf der anderen Seite des Khojabakirgan-Kanals liegt Kirgistan. «Es gibt ein Abkommen, in dem genau steht, wie viel Wasser die Kirgisen bekommen und wie viel wir», sagt Kadirov. «Aber wenn es knapp ist, halten sie mehr zurück.»

Die tadschikischen Bauern befürchten, dass die Kirgisen bald noch mehr Wasser wollen: «Sie wollen einen neuen Seitenkanal bauen, um neue Flächen zu bewässern – dann bleibt uns noch weniger Wasser», sagt der Bauer Sobir Ochilov, dessen Hof in der Nähe liegt.

Das Ferghanatal.
Legende: Wo bewässert wird im Ferghanatal, ist es grün. Daneben öd. SRF / Thomas Häusler

Neben Tadschikistan und Kirgistan hat auch Usbekistan einen Anteil am Ferghanatal. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 entstanden diese unabhängigen Staaten aus Sowjetrepubliken.

Angst vor der Eskalation

Manche Grenzen sind noch ungeklärt. Es gibt zahlreiche Exklaven und immer wieder Streit – ethnische Konflikte, um Grenzen oder Wasser.

2010 kam es im kirgisischen Osch zu Unruhen. Hunderte Angehörige der usbekischen Minderheit starben, Zehntausende flüchteten nach Usbekistan. Weil die Region an Afghanistan grenzt und auch Probleme mit islamistischen Extremisten hat, ist die Angst vor einer Eskalation gross.

Zahlreiche Hilfsorganisationen sind im Ferghanatal präsent, so wie die Helvetas. Deren Projekte werden von der Deza finanziert, der Entwicklungsagentur des Bundes. Löst man die Probleme ums Wasser, hilft dies Konflikte zu vermeiden, lautet die Idee.

Die Idee, an die Zukunft zu denken, ist neu

Aber das braucht Zeit, sagt Marian Szymanowicz: «Die Bauern denken kurzfristig. Als wir ihnen sagten, dass die Wasserknappheit schlimmer werden wird, war das für sie neu. Auch die Idee, dass man an die Zukunft und an die nächste Generation denken muss.»

Einer, der an die Zukunft denkt, ist Habibulla Sharipov. Auf zehn Hektar seines Landes testet er Methoden, die Wasser sparen und versucht, diese seinen Nachbarn schmackhaft zu machen.

Verhindern, dass zu viel Wasser versickert

Sharipov steht auf einem Versuchsacker. In regelmässigen Abständen recken sich grüne Baumwolltriebe aus der Erde. Alle paar Meter ziehen sich parallele Bewässerungsfurchen durch die Erde. Milchiges Wasser fliesst hindurch.

Diese Furchen seien besonders, sagt Habibulla Sharipov: «Normalerweise sind sie viel länger. Dadurch versickert zu viel Wasser im Boden. Um das zu verhindern, sind diese kürzer.»

Habibulla Sharipov, ein Bauer, steht auf seinem Acker.
Legende: Habibulla Sharipov auf seinem Versuchsacker. SRF / Thomas Häusler

Er geht über den Feldweg zum kleinen Kanal, der das Wasser zum Feld bringt. Es läuft durch ein kleines Metalltor.

Sharipov deutet auf eine Mess-Skala, die darauf befestigt ist: «Hier kann ich ablesen, dass gerade 21 Liter pro Sekunde durchfliessen.»

Die Vorrichtung sei neu, von Helvetas installiert. Damit kann Sharipov besser kontrollieren, wie viel Wasser er verbraucht. «Dank dieser verschiedenen Methoden spare ich in einer Saison 2,6 Millionen Liter Wasser pro Hektare und reduziere meinen Verbrauch um einen Viertel.»

Habibulla Sharipov schaut auf das Messgerät.
Legende: Seit Habibulla Sharipov die Flussmenge messen kann, spart er Wasser. SRF / Thomas Häusler

Ein paar Minuten entfernt liegt der Hof von Sobir Ochilov. Er empfängt uns im Schatten eines Obsthains. Ochilov trägt die traditionelle Mütze der Tadschiken: Sie ist schwarz mit weissen Stickereien. Ochilov besitzt das gleiche Gerät wie Sharipov.

Es sei gut, dass er nun den Wasserfluss besser messen könne: «Wir bekommen stets weniger Wasser zugeteilt, als wir bräuchten. Dank der Messvorrichtung können wir nun dafür sorgen, dass wenigstens die wichtigsten Felder genügend Wasser bekommen.»

Ein Mann mit schwarzer Mütze sitzt unter einem Baum.
Legende: Sobir Ochilov in seinem Obsthain. SRF / Thomas Häusler

Auch die anderen Tipps zum Wassersparen seien willkommen. Der Ausbildungsbedarf der Bauern ist gross.

Zu Sowjetzeiten gab es grosse Kollektivbetriebe. Danach wurde das Land an Tausende verteilt. Viele waren keine Bauern, sondern Lehrer oder Büroangestellte.

Zahlreiche Neo-Bauern kommen nicht zurecht, müssen den Hof verkaufen. Es gibt immer wieder unausgebildete Newcomer, die ihr Glück versuchen.

Sparanreize schaffen

Die Behörden könnten mit Reformen helfen, den Wasserverbrauch zu senken. Zum Beispiel, indem sie den Wasserpreis erhöhten, um Sparanreize zu schaffen. Bisher deckt er nicht einmal die Kosten.

Aber das ist politisch heikel. Gleichzeitig wird noch immer der Anbau von Baumwolle forciert, der besonders viel Wasser benötigt.

Blick auf ein Feld, dahinter ein Berg
Legende: Baumwolle wird im Ferghanatal oft angebaut. Sie braucht viel Wasser. SRF / Thomas Häusler

Marian Szymanowicz von Helvetas arbeitet auch mit den Behörden zusammen. In sowjetischer Zeit bestimmten Behörden alles, steuerten die Wasserzuteilung zentral. Vieles funktioniert noch heute so.

Doch unter Wasserexperten herrscht der Konsens: Alle Teile der Gesellschaft sollten mitbestimmen, wie man das knappe Wasser einsetzt. «Dann fühlen sich die Menschen eher verantwortlich dafür», sagt Szymanowicz. Sie sind also vielleicht eher gewillt, Wasser zu sparen.

Viele offene Fragen

Marian Szymanowicz hat alle an einen Tisch gebeten, die im tadschikischen Teil des Ferghanatals Interesse an Wasser haben. Die Bewässerungsbehörde, die Gemeinden, Bauernvereinigungen und so weiter. «Anfangs zweifelten viele daran, dass dieser Dialog nützlich sein könnte», sagt Szymanowicz.

Mittlerweile aber ist das Forum einigermassen etabliert. Wichtige Fragen harren einer Antwort. Zum Beispiel, wie die grösste Stadt der Region, Chudschand, genügend Trinkwasser bekommt, wenn sie weiter so wächst. Oder welche der maroden Bewässerungskanäle mit dem knappen Geld saniert werden können.

Blick auf einen Fluss.
Legende: Der Syrdarja fliesst durch Chudschand im Ferghanatal und mündet ins Becken des ehemaligen Aralsees. SRF / Thomas Häusler

Unmittelbar da, wo Schleusenwärter Abdusalom Kadirov seinen Posten hat, versickerte im Khojabakirgan-Kanal bis vor Kurzem fast die Hälfte des Wassers, sagt Anvar Khasanov, Projektmitarbeiter bei Helvetas. «Die Betonplatten aus der Sowjetzeit waren zerstört.»

Nun ist die Stelle saniert. Würden alle Bewässerungsanlagen in Zentralasien repariert, könnten Unmengen von Wasser gespart werden.

Es fehlt an Geld

Doch allein in der Region des Khojabakirgan-Kanals würde die Sanierung 30 Millionen Franken kosten, in ganz Tadschikistan eine Milliarde, in der ganzen Region noch einmal viel mehr.

Kein Geldgeber hat diese Summen, auch die Regierungen Zentralasiens nicht. Ihre Länder gehören zu den ärmeren dieser Welt.

Blick auf einen Kanal.
Legende: Der Khojabakirgan-Kanal. Das linke Ufer liegt auf tadschikischem Boden, das rechte auf kirgisischem Boden. SRF / Thomas Häusler

Die riesige künstliche Oase in Zentralasien hat ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert. Damals eroberte Russland die Region, die bereits auf eine jahrtausendealte Tradition der Bewässerung zurückblickte.

Der Zar im fernen Moskau bestimmte, dass die neue Kolonie künftig vor allem Baumwolle für die Kleiderfabriken in Russland produzieren sollte. Nach der kommunistischen Revolution 1917 bauten die neuen Herren aus Russland diese Strategie über die Jahrzehnte enorm aus.

Aus der Steppe wurde fruchtbares Land gemacht

Lutfulla Muhamed Nazarov ist 77 Jahre alt und noch immer leitender Spezialist im Ministerium für Wasser in Usbekistan. 1964 begann er seine Karriere. Für einen Wasserbau-Ingenieur eine gute Zeit.

Damals beschlossen die Sowjets, das Bewässerungsnetz dramatisch auszubauen: «Ganze Steppen wurden unter den Pflug genommen. Die Bevölkerung musste Arbeitseinsätze leisten, um die Kanäle zu graben.»

Blick auf eine Pipeline
Legende: Eine Pipeline bringt das Wasser von der Höhe in den tiefer gelegenen Aksukanal. SRF / Thomas Häusler

Allein auf dem Gebiet des heutigen Usbekistans wurden über hunderttausend Kilometer Kanäle gebaut, zahllose Pump- und Verteilstationen, Pipelines, erzählt Nazarov. Siedlungen wurden aus dem Steppenboden gestampft, eine Fläche so gross wie die Schweiz von der Halbwüste zur Oase umgebaut. Der Homo sowjeticus betrachtete die ganze Region durch die Brille des Hydrotechnikers.

Schädliches Salz im Boden

Doch nach und nach offenbarten sich die Nebenwirkungen dieser Anbauschlacht, sagt Dinara Ziganshina. Sie arbeitet bei der interstaatlichen Wasserkommission, die von den zentralasiatischen Ländern gegründet wurde.

Ziganshina sagt: «Der Anbau von Baumwolle erforderte den intensiven Einsatz von Pestiziden, die Wasserqualität litt enorm. Böden erodierten und in vielen Äckern reicherte sich durch die intensive Bewässerung schädliches Salz an.»

Ein Junge lässt eine Kuh an einem Fluss weiden.
Legende: Jeder Quadratmeter bewässertes Land wird genutzt. SRF / Thomas Häusler

Irgendwann merkte man: Der Aralsee schrumpft. Überraschend war das eigentlich nicht, zapfte man ihm doch 90 Prozent des Wassers ab. Seine stolzen Zuflüsse, der Amudarja im Süden und der Syrdarja im Norden, kamen nur noch als Rinnsale bei ihm an.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gründeten die neuen Staaten Zentralasiens den Fonds zur Rettung des Aralsees. Vadim Sokolov arbeitet dort. Er sagt: «Zentralasien war nichts weiter als der Lieferant für Rohstoffe, die in der Sowjetunion dringend gebraucht wurden. Niemand dachte über die Umwelt nach.»

Natur ohne Grenzen?

Diese Sicht habe ihre Wurzeln wohl im Denken des Philosophen Friedrich Engels. Er habe gelehrt, dass die Natur keine Grenzen habe, sagt Sokolov. «In den 1980er-Jahren lernte man, dass das nicht stimmt – aber da war es leider zu spät.»

Das usbekische Städtchen Muynak lag einst am südlichen Ufer des Aralsees. Heute blickt man von seinem ehemaligen Badestrand über eine scheinbar endlose Halbwüste, die mit trockenen Büschen bewachsen ist und etwa 25 Meter tiefer liegt als der Strand – der ehemalige Seeboden. Ein halbes Dutzend Schiffsgerippe rosten darauf vor sich hin: die ehemalige Fischereiflotte Muynaks.

Aussichtsplattform, die auf eine trockene, dunstige Landschaft ausgerichtet ist.
Legende: Blick über den ehemaligen Boden des Aralsees. SRF / Thomas Häusler

35 Tonnen Fische pro Jahr fingen die Fischer im Aralsee. Eine Konservenfabrik verarbeitete den Fang. Alles vorbei.

Mit dem Tod des Sees verschwanden 40'000 Jobs – und das in einer wirtschaftlich schwachen Randregion. «Ich bin wütend darüber, dass der See zerstört wurde. Ich könnte weinen. Das haben Menschen getan», sagt Dilyorbek Muratov, ein Bewohner der Stadt.

Salz auf Äckern, Pflanzen und Häusern

Er erzählt von einem Morgen Ende Mai dieses Jahres, den er nicht vergessen wird. Als er die Türe öffnete, war alles weiss. Wie Schnee – aber es war Salz.

Als der Aralsee starb und sein Wasser verdunstete, blieb eine Salzkruste zurück. An diesem Maimorgen 2018 verfrachtete ein heftiger Sturm Salz vor Muratovs Haustür und weit darüber hinaus: Bis in 700 Kilometer Entfernung bedeckte es Äcker, Obstgärten und Häuser.

Rostiges Schiffsgerippe
Legende: Auf dem einstigen Grund des Aralsees rosten nun Schiffsgerippe vor sich hin. SRF / Thomas Häusler

Vadim Sokolov vom Fonds zur Rettung des Aralsees sagt: «Der Sturm hat vermutlich auch Herbizide und Pestizide verfrachtet, die früher von den Baumwollfeldern in den Aralsee geschwemmt worden waren.» Niemand wisse, wie schädlich sie seien.

Die Menschen seien besorgt, dass so etwas nun öfter vorkomme. Der Tod des Sees hat das Klima verändert. Lokale Stürme sind bereits häufiger geworden.

Überdurchschnittlich viele Krebserkrankungen

Die Koordinatorin der Vereinten Nationen in Usbekistan, Helena Fraser, spricht von einer «akuten Gefahr», die von dieser Umweltkatastrophe ausgehe: «Die Folgen werden erst nach und nach sichtbar.»

Die Böden in der Region versalzen, die Erträge nehmen ab. Es gibt Meldungen über überdurchschnittliche Zahlen gewisser Krebserkrankungen und Nierenleiden. Ob dies mit den Schadstoffen vom ehemaligen Seeboden zu tun hat, ist aber unbekannt.

«Wir brauchen das Wasser für die Menschen»

Einen Lichtblick gibt es am Nordende des ehemaligen Sees, auf kasachischem Boden. Ein künstlicher Damm staut das Wasser des nördlichen Zuflusses und erhält so einen kleinen Restsee. Auch Fische gibt es wieder.

Usbekistan möchte entlang des südlichen Zuflusses wenigstens Feuchtgebiete erhalten. Zu mehr reicht es nicht, sagt Dinara Ziganshina von der interstaatlichen Wasserkommission: «Es ist unmöglich den See zu retten. Dafür müsste man ihm das Wasser zurückgeben. Aber das können wir nicht, wir brauchen es für die Landwirtschaft, für die Menschen.»

Blick auf einen Damm
Legende: Kraftwerk und Staudamm Nurek. Im bergigen Tadschikistan gibt es viele Wasserkraftwerke. SRF / Thomas Häusler

Der 77-jährige Bewässerungspionier Lutfulla Nazarov ist trotz allem noch immer stolz auf das, was seine Generation vor vielen Jahren begann: «Die Leute brauchten Arbeit und Nahrung», sagt er. Und eigentlich habe man damals einen Plan gehabt, um den Aralsee zu retten.

Waghalsige Pläne werden wiederbelebt

Die Sowjets wollten grosse Flüsse aus Sibirien nach Süden umleiten. Doch selbst damals überwogen schliesslich die Umweltbedenken, sagt Nazarov mit Bedauern.

Trotz der Aralsee-Katastrophe ist dieses Denken nicht komplett passé. Angesichts der Wasserknappheit, die in Zukunft droht, gibt es wieder Politiker und Experten in Zentralasien, die die alten Pläne aus der Schublade holen wollen.

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