Regenwurm ist nicht gleich Regenwurm. Allein durch den Schweizer Boden wühlen sich fast 40 verschiedene Arten. Weltweit sind es Tausende.
Wie viele genau weiss niemand, sagt die Biologin Helen Phillips. Vor allem in den Tropen gebe es riesige Wissenslücken: «Jedes Mal wenn meine Kolleginnen dort ein Loch graben, entdecken sie eine neue Regenwurmart.»
Regenwürmer sind wichtig – zum Beispiel für die Fruchtbarkeit der Böden. Deshalb hat ein grosses internationales Forschungsteam um Helen Phillips den ersten Überblick über die globale Regenwurmbevölkerung erstellt.
Nicht nur kleine pinke Würmer
Sie habe für die Regenwurmzählung nicht selbst im Dreck gewühlt, gibt Helen Phillips ohne Umschweife zu. Hinter dem Computer sei sie glücklicher als mit der Schaufel in der Hand.
Ihre Kolleginnen aus dem Feld zeigten ihr Bilder verschiedener Arten. Es waren ganz andere Würmer, als sie sie kannte: grüne oder blaue Exemplare, manche davon Riesen, bis zu drei Meter lang.
Dutzende Regenwurmforscher aus aller Welt haben ihre Angaben ins federführende Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig geschickt. Dort liess Helen Phillips den Computer im Datenberg nach Mustern suchen.
In der Eiszeit dezimiert
Auch wenn sich in einem Stück Boden einer klimatisch gemässigten Zone, zum Beispiel in Europa, teils mehr Regenwürmer und Regenwurm-Arten fanden als in den Tropen: Gesamthaft gibt es dort, an den Hotspots der Artenvielfalt, wohl mehr Regenwurmarten als bei uns.
Aber sie kommen in den Tropen oft nur lokal im Umkreis einiger Kilometer vor. In Europa dagegen sind viele Arten weiträumig verbreitet.
Der wahrscheinliche Grund dafür liegt in der letzten Eiszeit. In Europa rottete die Vergletscherung in vielen Regionen die Regenwürmer aus, während der Wurmbestand in den Tropen unbehelligt blieb.
Das führt zum Schluss, dass die Würmer, die es in Europa heute gibt, jene waren, die nach der Eiszeit die leeren Gebiete am schnellsten wieder besiedelten.
Fruchtbare Fischköder
Im nördlichen Russland und Nordamerika, wo es während der Eiszeit ebenfalls grosse Gletschermassen gab, sind noch heute stellenweise keine Regenwürmer zu finden. Ausser dort, wo der Mensch sie versehentlich wieder eingeführt hat – zum Beispiel als weggeworfene Fischköder.
So etwa der europäische Regenwurm, der im Norden Nordamerikas als invasive Art gilt. Vor seiner Ankunft lagen in den dortigen Wäldern dicke Teppiche von Laub auf dem Boden: ein gefundenes Fressen für den Regenwurm, aber als die Laubschichten in der Folge abnahmen, veränderte sich das Ökosystem tiefgreifend.
Meist aber haben die Aktivitäten der Regenwürmer positive Effekte: Sie belüften den Boden, machen ihn aufnahmefähiger für Wasser und insgesamt fruchtbarer.
Trockenes Klima wurmt den Regenwurm
Doch die wichtigen Leistungen der Regenwürmer könnten künftig ausbleiben, befürchtet die Biologin Helen Phillips. «Unsere Analysen zeigen, dass die globale Verbreitung der Regenwürmer stark vom Klima abhängt.»
Wo es zum Beispiel allzu trocken sei, gebe es kaum Würmer. Solche wurmfeindlichen Regionen könnten mit der Klima-Erwärmung zunehmen.
«Darüber sind wir ziemlich besorgt», sagt Helen Phillips. Denn die umtriebigen Würmer unter unseren Füssen sind wichtig für die Landwirtschaft – und damit für unsere Ernährung.