An einem Waldweg im Westen von Sankt Gallen kreischen die Motorsägen. «Alle Eschen hier müssen leider weg», sagt Regionalförster Raphael Lüchinger, «sie könnten auch ohne Sturm plötzlich umfallen und das wäre gefährlich für Fussgänger und Joggerinnen».
So wie in Sankt Gallen werden schweizweit derzeit vielerorts die Eschen entlang der Waldwege gefällt. Im Waldinnern lässt man die Bäume stehen. Der Grund für die Fäll-Aktionen ist das Falsche Weisse Stängelbecherchen, ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz. 2008 wurde der kleine, unscheinbare Pilz in der Schweiz zum ersten Mal nachgewiesen. Heute sind 95 Prozent aller Eschen im Land befallen.
Alte Bäume halten mehr aus
Besonders junge Bäume sterben nach einer Infektion in grosser Zahl ab. Sie wissen die unbekannte Pilzart nicht abzuwehren. Die älteren Bäume sterben langsamer.
Vielerorts sieht man, wie sich die Kronen der Eschen langsam ausdünnen, wie sie verkümmern oder Nottriebe bilden. «Einige alte Bäume leben aber auch schon lange mit der Pilzinfektion. Ihnen merkt man gar nichts an», sagt Lüchinger. «Sie sind unsere Hoffnung.»
Tests im Hochsicherheitslabor
Diese scheinbar resistenten Bäume haben das Interesse der Forschenden geweckt. An der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf züchten sie die Bäume weiter, um zu sehen, wie gross die Resistenz gegen den Pilz wirklich ist.
Valentin Queloz, Gruppenleiter Waldschutz Schweiz an der WSL führt in ein Gewächshaus, wo kleine Äste der alten robusten Bäume auf die Stämmchen junger Eschen gepfropft wurden. «Das sind unsere Versuchseschen», sagt Queloz. «Die brauchen wir für die Tests im Hochsicherheitslabor.»
Es besteht Hoffnung
In diesem nächsten Labor werden die jungen Eschen mit einer grossen Zahl von Pilzsporen in Kontakt gebracht. «Die Sporen gelangen durch die feuchten Blätter in den Baum», sagt Queloz. Zum Glück hat sich aber bestätigt, dass etwa 60 Prozent der getesteten Bäume sehr resistent sind gegen den Pilz. Somit besteht berechtigte Hoffnung, dass sich die wenigen resistenten Bäume in den Wäldern über Versamung auch wieder vermehren können.
«Noch vor ein paar Jahren sah es sehr, sehr schlimm aus», sagt Queloz. Die Wissenschaftlinnen und Wissenschaftler hätten alle noch die Ulmenwelke vor Augen gehabt: Das ist eine ebenfalls importierte Pilzkrankheit, welche die Ulme in unseren Wäldern fast zum Verschwinden gebracht hat. «Jetzt aber bin ich zuversichtlich, dass die Esche in unseren Wäldern eine Zukunft hat», so Queloz.
Nächste Gefahr: Ein schillernder Käfer
Unterdessen droht der Esche allerdings schon die nächste Plage: Der metallisch grüne Eschen-Prachtkäfer, der ebenfalls ursprünglich aus Ostasien stammt, ist dabei, die Welt zu erobern. Derzeit breitet sich der vom Menschen verschleppte Käfer von Moskau her auch in Richtung Schweiz aus.
In den USA, wo der Käfer ebenfalls eingeschleppt wurde, sind ihm mittlerweile weit über 50 Millionen Eschen zum Opfer gefallen. In fünf bis zehn Jahren wird der Käfer auch die Schweiz erreichen, schätzt Queloz.
Deshalb werden die resistenten Eschen im Hochsicherheitslabor jetzt auch auf den Käfer getestet. Zum grossen Erstaunen der Forscher, scheinen die gegen den Pilz resistenten Eschen auch gegen den Käfer zumindest teilweise resistent zu sein. «Es sind noch weitere Versuche nötig, um das wirklich zu bestätigen», sagt Queloz. «Aber so wie es derzeit aussieht, scheinen wir Glück zu haben.»