Warum Tiere kooperieren und einander helfen, ist ein evolutionsbiologisches Rätsel, das schon Charles Darwin (1809 – 1882) beschäftigte. Weshalb, so fragte sich der britische Naturforscher, versorgen Arbeiterbienen scheinbar selbstlos den Nachwuchs der Königin, die als Einzige eines Bienenstaates brüten darf?
Das Verhalten passt so gar nicht zu Darwins Theorie der natürlichen Selektion, die im Wesentlichen auf der Annahme beruht: Der Schnellere, Stärkere setzt sich durch.
Das Geheimnis der Kooperation
«Seit Darwin haben unzählige Forscher versucht, das Hilfeverhalten unter Tieren zu erklären», sagt Michael Taborsky, Verhaltensbiologe der Universität Bern. Taborsky erforscht seit über 40 Jahren das Sozialverhalten bei verschiedenen Tierarten und hat dazu vor kurzem dazu sein Lebenswerk veröffentlicht.
Taborskys Haupterkenntnis beim Thema Kooperation: «Die gesamte Bandbreite von kooperativem Verhalten bei Tieren lässt sich auf ein paar wenige Selektionsprinzipien zurückführen.»
Diese drei Selektionsprinzipien spielen eine Rolle:
1. Gegenseitigkeit (Mutualismus)
In der Evolutionsbiologie bedeutet das: Ein Individuum hat von der Leistung, die es einem oder mehreren anderen Individuen gegenüber erbringt, ebenfalls einen Vorteil. Das Paradebeispiel ist die kooperative Jagd, etwa bei Löwen: «Gemeinsam zu jagen ist für Löwen viel effizienter», erklärt Taborsky. «Denn wenn sie sich zusammenschliessen, sind sie in der Lage, ein grosses Beutetier zu jagen wie zum Beispiel ein Zebra.» Die geteilte Beute ist unter dem Strich immer noch grösser, als wenn ein Löwe für sich allein ein kleineres Tier – beispielsweise eine Gazelle – jagt.
2. Altruismus
Bei diesem Prinzip bringt die Handlung des Einzelnen gegenüber anderen erst einmal keinen Vorteil. «In der Biologie spricht man von Fitness-Nachteil», sagt Michael Taborsky, «zum Beispiel, indem man höhere Risiken eingeht oder höhere Energie-Kosten trägt oder indem man auf eigenen Nachwuchs verzichtet und deshalb die eigenen Gene nicht in die nächste Generation weitergeben kann.»
3. Das Verhalten lohnt sich
Doch diese Nachteile werden ausgeglichen – das altruistische Verhalten lohnt sich für die Tiere. Wie genau, hat Michael Taborsky an verschiedenen Tierarten untersucht:
Und wie ist es beim Menschen? Unser Sozialverhalten erklären wir uns in der Regel rational. Grosszügiges Handeln beruht auf vernünftigen Überlegungen oder moralischen Überzeugungen – meinen wir. «Doch die experimentellen Wirtschaftswissenschaften haben gezeigt, dass menschliches Verhalten nicht immer rational begründet ist, gerade wenn's ums Teilen geht», sagt Michael Taborsky.
Für den Berner Forscher ist jedenfalls klar: «Menschliches Verhalten und damit auch der Altruismus, hat biologische Wurzeln.» Inwiefern kulturelle Einflüsse dieses Verhalten beeinflussen, sei eine andere Frage, so Michael Taborsky. Aber: «Die Veranlagung zum Altruismus ist in unserer genetischen Struktur schon vorhanden.»