Er ist gigantisch gross und ungewöhnlich schwer. Schon einer seiner Wirbel wiegt weit über 100 Kilogramm. Und nein, die Rede ist nicht vom Blauwal, sondern vom «Perucetus colossus», grob übersetzt «der kolossale Wal aus Peru».
Dieser frühzeitliche Verwandte der heutigen Wale, Delfine und Schweinswale sorgt für Aufsehen: Mit fünf bis acht Tonnen ist das Skelett des Urzeit-Wals zwei- bis dreimal so schwer wie das eines Blauwals. Sein Körpergewicht liegt mit geschätzten 85 bis 340 Tonnen auch ziemlich sicher über dem eines Blauwals (130 bis 150 Tonnen). Damit ist er neuer Anwärter für das schwerste Tier aller Zeiten.
Ein internationales Forschungsteam beschreibt den Fund des 39 Millionen alten Fossils im Fachmagazin Nature. Das Fossil interessiere längst nicht nur, weil es die Rangliste der schwersten Tiere durcheinanderbringt, so Aldo Marcelo Benites Palomino, einer der Studienautoren.
SRF Wissen: Sie sind ganz offensichtlich fasziniert von diesem Skelett, warum?
Aldo Marcelo Benites Palomino: Das Skelett ist anders als alles, was wir bisher gesehen haben. Mit 13 Wirbeln, vier Rippen und nur einem Hüftknochen ist es zwar arg unvollständig, aber nicht weniger beeindruckend.
Die riesigen Wirbelkörper erreichen eine Breite von fast einem Meter. Ich erinnere mich an den massiven Wirbelknochen, der da aus dem Sand ragte. Es sah aus wie ein Wirbel, den man mit Luft aufgeblasen hat – äusserst komisch! Wir haben uns alle gefragt, was für ein Ding das nur sein mag.
Wie konnte der Urzeit-Wal trotz dieses schweren Skeletts überhaupt schwimmen?
Wir gehen von einem langsamen Schwimmer aus. Das Tier muss viel Weichteilmasse gehabt haben – sonst wäre es mit diesen schweren Knochen einfach abgesunken. Es hatte also sicherlich eine dicke Fettschicht, die ihm Auftrieb verlieh.
Können Sie etwas darüber sagen, wie das Tier gelebt hat?
Da uns der Schädel und die Zähne des Wals fehlen, können wir über die Ernährung nur spekulieren. Aber um eine solch gigantische Körpermasse zu ernähren, muss das Tier täglich mindestens eine Tonne gefuttert haben. Wir können uns vorstellen, dass es sich unter anderem auch von Aas ernährte.
Das Fossil wurde bereits vor über zehn Jahren in Peru entdeckt. Wann haben Sie realisiert, wie ungewöhnlich der Fund ist?
Es gab zwei Schlüsselmomente: der Erste im Jahr 2014. Da realisierten wir, dass es sich tatsächlich um die Knochen eines Wirbeltiers handelt. Das war nicht von Anfang an klar, die ungewöhnlich schweren und dichten Stücke wurden zuerst als Steine abgetan.
Das Skelett ist anders als alles, was wir bisher gesehen haben.
Der zweite Schlüsselmoment war vor einem Jahr, als wir verstanden, warum die Knochen so aussergewöhnlich schwer sind. Normalerweise bestehen Knochen aus einer äusseren kompakten und einer inneren schwammartigen Knochenschicht. Anders bei diesem Fossil: Der Knochen besteht ausschliesslich aus kompaktem Knochengewebe. Das Gewebe ist so dicht, dass wir mit unseren gewöhnlichen Werkzeugen nicht einmal ein Loch in den Knochen bohren konnten.
Welche offenen Fragen wirft der Fossil-Fund auf?
Jede Menge. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Knochen stets aus kompaktem und aus schwammartigem Gewebe bestehen. Zu letzterem gehört unter anderem das Knochenmark, der Ort, wo sich Blutzellen bilden. Die Frage, wie und wo sich bei diesem Urzeit-Wal Blutzellen bildeten, ist zum Beispiel völlig offen.