Wie ein Staubsauger sieht das Gerät aus, das Forscher Fabian Roger in einer Graslandschaft in Südschweden aufgebaut hat. Mit diesem Aerosol-Sammler gelingt es seiner Arbeitsgruppe von der Universität Lund, sogenannte Umwelt-DNA förmlich aus der Luft zu greifen.
Es handelt sich dabei um gefilterte Erbgutschnipsel, die von Tieren, von Pflanzen und Pilzen stammen. «In unseren Proben finden wir über 1'800 verschiedene Gen-Sequenzen», sagt der deutsche Ökologe Roger.
Darunter sei Genmaterial von 84 verschiedenen Insektenarten, das er selbst habe zuordnen können – von Schmetterlingen, Fliegen und Wespen genauso wie von Käfern und Ameisen.
Insekten hinterlassen Partikel
Luft sei im Grunde ebenso viskos wie Wasser, erläutert Roger: «Wenn ein Teilchen klein genug ist, dann bleibt es darin schweben.» Und Insekten hinterliessen winzige Partikel in der Luft, etwa Haare, Haut- oder Flügelschuppen.
In diesen «Brei» aus gefilterten Aerosolen tauchen die Forscher aus Lund genetische Sonden. Diese binden charakteristische Abschnitte von Genomen, zum Beispiel von Schmetterlingen oder Schwebfliegen, an sich – wie Magnete.
Die Sonden halten sozusagen den genetischen Fingerabdruck bestimmter Arten fest. Die Methode nennt sich «Metabarcoding».
Überwachen von Schädlingen
Von vielen Insekten, die in der ausgewählten Testfläche nachweislich vorkommen, fand sich bisher zwar kein genetisches Material in den Filterproben.
Doch dafür suchten die Forscher auch noch nicht spezifisch genug. Die Methode lasse sich noch optimieren, sagt Roger: «Das war jetzt die erste Studie, um zu zeigen, dass es überhaupt funktioniert.»
Mit massgeschneiderten Gensonden könne man in Zukunft ganz gezielt nach bestimmten Arten schauen, «die entweder Schadinsekten sind oder einwandernde Arten, bei denen man ein Interesse hat, sie zu überwachen.»
Wertvolles Archiv
Auf vielfältige Spuren luftstämmiger Umwelt-DNA stiess inzwischen auch Per Stenberg, Professor für Genetik an der Universität Umeå. Seinem Forschungsteam steht ein einzigartiges Archiv zur Verfügung: Seit dem Kalten Krieg nehmen sechs Messstationen des schwedischen Militärs jede Woche eine Luftprobe. Dies um mögliche Radioaktivität in der Atmosphäre zu erfassen.
Stenberg bekam jetzt die Chance, diese luftdicht archivierten Staubfilter zu untersuchen – mit erstaunlichen Resultaten. «Wir waren extrem überrascht, auf DNA von praktisch jedem einzelnen Organismus in Schwedens Ökosystemen zu stossen», schwärmt der Projektleiter.
Insektensterben zeigt sich in der Luft
Weil auch in Schweden über ein vermeintliches Insektensterben diskutiert wird, analysierte seine Arbeitsgruppe zunächst die Umwelt-DNA dieser Tiergruppe. Laut Stenberg zeigt die rund 60-jährige Messreihe tatsächlich einen Rückgang der meisten Bestände.
Auch der Genetiker kann sich vorstellen, Luftfilter künftig als Frühwarnsysteme einzusetzen. Um zum Beispiel die Invasion krankheitsübertragender exotischer Mücken zu überwachen.
Noch handelt es sich aber um Pilotprojekte. Wie zuverlässig sind die Verfahren? Könnten Kontaminationen der Filter die Ergebnisse verfälschen? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, wird man wissen, ob Ökologen zur Artenbestimmung bald häufiger die Luft durchkämmen.