Für viele gehört die Glocke zur Kuh wie die Berge zur Schweiz. Doch was halten die Tiere selbst eigentlich davon? Das Läuten an ihrem Ohr ist zwischen 100 und 110 Dezibel laut – vergleichbar mit einem Presslufthammer oder Rockkonzert.
Laut einer ETH-Studie aus dem Jahr 2014 wirkt sich diese Belastung negativ auf das Fressverhalten der Kühe aus. Sie fressen nicht nur weniger, sie käuen auch kürzer wieder als Tiere ohne Glocke. Die an der Studie beteiligte Forscherin Julia Johns sagte damals: «Im Zeitalter von GPS und Co. würde ich mir überlegen, ob ich den Tieren auf der Alp eine Glocke anziehe.»
Eine Welle der Empörung
Die Studie und Johns Aussage lösten eine Welle der Empörung seitens der Landwirtschaft aus. Ob die ETH nichts Gescheiteres zu tun habe, als solche Studien durchzuführen, wollte der damalige Direktor des Bauernverbandes im Parlament vom Bundesrat wissen. Seither hat an der ETH niemand mehr vertiefter untersucht, wie sich das Glockengeläut langfristig auf das Gehör und Verhalten der Kühe auswirkt.
Über 1'000 Kühe mit GPS-Geräten
Das ist nun sieben Jahre her. Die Haltung der Landwirtschaft gegenüber GPS-Trackern scheint sich in dieser Zeit verändert zu haben: Diesen Sommer waren in den Alpen über 1'000 Tiere mit einem Sender ausgestattet. Die Tests laufen schon über mehrere Jahre in verschiedenen Kantonen.
Auch beim Bauernverband zeigt man sich heute aufgeschlossener. Thomas Roffler, Präsident des Bündner Bauernverbandes, sagt: «Wir testen diese neue Technik und sind gespannt, wie sie sich in den Alpen entwickelt.» Für viele sei es zwar noch immer undenkbar, auf Glocken zu verzichten, doch junge Bäuerinnen und Bauern seien technikaffin: «Darum denke ich, bei einem Generationenwechsel sehen das einige als Chance, die Tiere besser zu orten.»
Mit GPS gegen den Wolf
Den Bäuerinnen und Bauern bringen die Tracker einige Vorteile: Im Idealfall können sie ihre Tiere einzeln am Computer oder Smartphone verfolgen. So müssen sie nicht mehr die ganze Alp absuchen, wenn eine Kuh verloren geht oder abstürzt und sich verletzt. Vorausgesetzt, das Tier befindet sich nicht in einem Funkloch. Da liegt auch der Haken des Glockenersatzes: Bisher hat die Technik nicht immer einwandfrei funktioniert.
Neben der Bewegungsdaten verrät das GPS-Tracking aber auch viel über das Verhalten der Tiere. Wie lange sie wo gegrast haben oder ob sie sich auffällig bewegt haben. Die Halsbänder sollen in Zukunft sogar Wolfsangriffe erkennen und sie mit Licht- und Blitzsignalen abwehren.
Trotz all dieser Vorzüge ist sich Roffler sicher, dass insbesondere auf der Alp die Glocken nicht ganz verschwinden werden: «Ich denke, in Zukunft gibt es ein Nebeneinander. Auf der einen Seite die Leute, die Freude an der Tradition der Glocken haben und auf der anderen Seite die, die etwas ausprobieren wollen.»