Eigentlich sehen Vögel sehr gut. Pro Sekunde nehmen sie viel mehr Bilder wahr, als wir Menschen. Je nach Art haben sie sogar einen Rundumblick, um gewappnet zu sein gegen blitzschnelle Jäger. Aber auf Glas haben sich die Vögel über Hunderttausende Jahre der Evolution nicht eingestellt.
Sie erkennen es nicht als Hindernis, sondern prallen dagegen und kommen – je nach Geschwindigkeit – an den Scheiben zu Tode. Manchmal fliegen sie auch wieder weg und sterben später an den Verletzungen. Alleine in der Schweiz geht die Vogelwarte Sempach von mehreren Millionen Vogelopfern pro Jahr aus.
Der Wintergarten wird zur Vogelfalle
Wie gefährlich die Welt um unsere Häuser mittlerweile für Vögel geworden ist, macht ein Spaziergang mit der Ornithologin Christa Glauser von BirdLife Schweiz klar. Auf dem kurzen Weg durch die Stadt Winterthur sehen wir immer wieder verglaste Wintergärten, verglaste Balkongeländer, verglaste Fahrradunterstände und viele Gebäude mit neuen grossflächigen Fenstern. «Der Trend zum Bauen mit Glas hat unsere Gärten für die Vögel zu einer oft tödlichen Umgebung gemacht», sagt Glauser.
Wo Vogelfallen lauern und wo nicht
Besonders tückisch sind Eckverglasungen, bei denen die Vögel hinter den Gläsern den Himmel sehen, und das Gefühl haben, sie könnten einfach geradeaus fliegen. Auch durch spiegelnde Fenster lassen sich die Vögel täuschen. Sie sehen den Busch, der sich spiegelt und fliegen direkt ins Glas.
Die richtige Markierung nützt viel
Das Problem lässt sich aber lösen. «Mit der richtigen Markierung auf der Aussenseite der Gläser, lässt sich die Zahl der getöteten Vögel stark reduzieren», sagt Christa Glauser, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt. Die herkömmlichen Greifvogel-Silhouetten nützen allerdings nichts. Es müssen dichtere Markierungen sein, Streifen oder Punkte, die im Abstand von etwa einer Handbreite angebracht werden.
«Unterdessen gibt es viele bewährte Produkte», sagt Glauser. Aber sie würden noch zu wenig angewendet. Am besten wäre es, wieder weniger mit Glas zu bauen, so die Ornithologin. Glauser hat deshalb regelmässig mit Architekten zu tun. «Die Jüngeren nehmen das langsam ernst, aber viele arrivierte Architekten sprechen noch kaum auf die Thematik an.»
Hunderte toter Vögel an einem Gebäude
Dabei wird das Ausmass des Problems meist unterschätzt. So sind zum Beispiel an einem langen verglasten Gebäuderiegel in Basel in einem Herbst während der Zugzeit hunderte von Tannenmeisen ums Leben gekommen.
Der Trend zum Bauen mit Glas hat unsere Gärten für die Vögel zu einer oft tödlichen Umgebung gemacht.
Besonders problematisch sind auch beleuchtete Hochhäuser zur Zugzeit. Eine Untersuchung an einem beleuchteten Hochhaus in Bonn zum Beispiel hat während eines Jahres über 1000 desorientierte Vögel dokumentiert. 200 Vögel wurden beim Aufprall sofort getötet, andere starben später.
Katzen und Marder räumen schnell auf
Die Zahl der so getöteten Vögel lässt sich nur annäherungsweise abschätzen. «Katzen, Füchse und Marder kennen die einschlägigen Stellen», sagt Glauser, «und sie räumen meist schnell auf, ohne dass wir was merken.» Untersuchungen in den USA rechnen mit durchschnittlich einer bis zehn Kollisionen pro Jahr und Gebäude. In der Schweiz gibt es fast zwei Millionen Gebäude.