Andere haben eine Schmusekatze oder einen Hund, der sie auf Schritt und Tritt begleitet. Yvonne Holy Graf und ihre Tochter Josepha Graf hingegen haben Hühner. Während die Tochter das Gatter zum Auslauf öffnet, springt eine der Appenzeller-Barthennen von einem Stein. «Schau, sie ähnelt einem Tyrannosaurus rex», sagt die Ethnologie- und Biologie-Studentin und schmunzelt. Tatsächlich sind die Dinosaurier die Urahnen unserer heutigen Hühner.
Vor 15 Jahren hat sich die Familie aus Oberillnau im Kanton Zürich Hühner zugelegt. Sie mochten die humorvolle Art der Tiere, und «bei uns haben die Hühner auch wichtige Aufgaben», erklärt Yvonne Holy Graf.
Nachdem sie den Rasen des ganzen Umschwungs geschnitten hat, bekommen ihn die Hühner zum Scharren und Umwühlen, eine ihrer Lieblingstätigkeiten. Dabei entsteht feine Komposterde für den Gemüsegarten. Und der Kot der Tiere wird als Dünger verwendet. «Ein nachhaltiger Kreislauf.»
Zudem schätze sie es, keine Eier aus kommerzieller Produktion kaufen zu müssen. Und gar Kunstwerke entstehen mithilfe der Eier. Holy Graf stellt ihre eigenen Eitemperafarben her, wofür sie Eier, Leinsamenöl und Pigmente vermischt und damit Landschaften malt.
Hühner als Familienprojekt
Mit ihrer Hühnerbegeisterung ist die Familie nicht allein. Laut einer Schätzung des Bundes leben in der Schweiz rund 70'000 Hühner bei Privatpersonen. Und es werden mehr. «Seit Corona erleben wir einen regelrechten Hühner-Boom», sagt Andreas Ehrismann, der im Vorstand des Verbands Kleintiere Schweiz sowie im Verein Rassegeflügel Schweiz engagiert ist. Seine Vermutung: «Immer mehr Leute steigen auf den Selbstversorger-Trend auf und haben Freude an eigenen Eiern.»
Diesen gefiederten Haustier-Boom stellt auch der Schweizer Tierschutz (STS) fest. «Im Home-Office schien Hühnerhaltung vor allem bei Familien in der Agglomeration hoch im Trend. Ein Hobby, das sie zu Hause mit ihren Kindern teilen konnten», erzählt die Biologin Lucia Oeschger des STS.
Auch bei Familie Holy Graf übernehmen alle gewisse Aufgaben: «Mein Mann mistet den Stall aus, meine Tochter und ich holen die Hühner morgens nach draussen, geben ihnen Futter und Wasser und abends bringen wir sie sozusagen ins Bett auf ihre Stangen», erklärt Yvonne Holy Graf. Der Berater Erhismann, der an diesem Tag für eine Kontrolle vorbeischaut, begrüsst eine überlegte Arbeitsteilung.
Erhismann schaut bei seiner Kontrolle genau hin, er prüft und misst und meint schliesslich: «Die Hühner haben es sehr gut hier.» Der begrünte und schattige Auslauf, die Voliere, der Stall mit Sitzstangen und Nester, das Staubbad und die Trinkstelle - es ist alles da, um die Hühner glücklich zu machen.
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Bild 1 von 6. Ein guter Hühnerstall braucht genügend Platz, damit die Hühner drinnen Fressen, Trinken, Scharren, Eierlegen sowie Schlafen oder Ruhen können. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 6. Urhühner suchen nachts auf Bäumen Schutz. Diesen Instinkt haben sich Haushühner bewahrt, sie schlafen gerne auf erhöhten Plätzen und ruhen sich tagsüber dort aus. Deshalb sind zwei Sitzstangen im Stall anzubringen. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 6. Der Züchter und Vorstandsmitglied des Verbands Kleintiere Schweiz Andreas Ehrismann überprüft die Abstände zwischen den beiden Sitzstangen und dem Stall. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 6. Für fünf Hühner braucht es mindestens ein Nest, in dem sie in Ruhe Eier legen können. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 6. Hier können die Hühner der Familie Holy Graf im Staub und Dreck baden, um ihr Gefieder sauber und frei von Parasiten zu halten. Hühner verbringen viel Zeit mit der Pflege ihres Gefieders. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 6. Sträucher, Hecken, Steine und Rasen: All das finden die Hühner auf ihrer Weide. Der Bund und Schweizer Tierschutz empfehlen eine Fläche von mindestens zehn Quadratmetern pro Huhn. Bildquelle: SRF.
Doch längst nicht alle Hühner werden so vorbildlich gehalten, wie der Schweizer Tierschutz (STS) feststellte und deswegen Anfang Jahres eine Informationskampagne mit dem Bund lancierte. «Es gibt sehr grosse, tierschutzrelevante Missstände», so Oeschger. Ein neuer Trend habe dies häufig zur Folge. Bei Sichtproben stellte der STS fest, dass die Ställe oft ungeeignet und viel zu klein sind. «In einigen Fällen hatte ein Huhn etwa so viel Platz wie ein A4 Blatt.»
Mehr Informationen für glückliche Hühner
Bei der Familie in Oberillnau picken die Hühner auf der Weide fleissig Würmer, der Hahn kräht durchs Quartier. «Es sind keine Kuscheltiere, trotzdem gehören sie zur Familie», sagt Yvonne Holy Graf. «Auch schon früher war hier ein Hühnerhof und vorläufig soll dies so bleiben.»