Wie viele Fische schwimmen eigentlich in den Weltmeeren umher? Zählen lässt sich das nicht, man muss es schätzen. Dafür verwenden Forschende komplexe Computermodelle: Mit ihnen lässt sich berechnen, wie viele Fische sich aktuell in den Meeren tummeln und wie viele es im nächsten Jahr wohl geben wird.
Modelle überschätzen, wie viele Fische sicher zu fangen sind
Und genau hier gibt es nun ein Problem, wie eine aktuelle Studie aus Australien zeigt: Die Modelle überschätzen die Populationsgrössen im nächsten Jahr. Das heisst: Es gibt weniger Fisch als gedacht.
«Das ist problematisch, weil die zugelassenen Fangquoten auf diesen Schätzungen basieren», erklärt der Fischereiwissenschaftler und Meeresökologe Rainer Froese. Sind die Schätzungen zu hoch, sind es auch die Fänge. Die Folge: Viele Bestände wurden überfischt – es wurde mehr herausgezogen als nachwachsen konnte. Die Bestände sind also geschrumpft.
«Das hatte fatale Auswirkungen auf die Bestände, insbesondere auf jene, denen es schon schlecht ging», sagt der Meeresökologe. Ganz neu sei diese Erkenntnis nicht: In Europa sei bekannt, dass es eine Tendenz gebe, immer höhere Biomassen vorherzusagen, die dann später nach unten korrigiert werden müssen. Neu ist nun aber: Es ist ein systematisches, allgegenwärtiges Problem.
Woran das liegt, können die Studienautoren nicht abschliessend klären. Sie deuten aber an, dass die Modelle zu komplex sind und sich in den Ergebnissen das Wunschdenken der Modellierer widerspiegelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen basierend auf den Vorhersagen der Modelle nämlich Vorschläge, wie viel Fisch gefangen werden darf, ohne den Bestand zu gefährden. «Die Modellierer sind dabei aber unter einem gewissen Druck, die Zahlen zu liefern, die die Politiker hören möchten», sagt Froese.
Mehr Vorsicht bei Fangempfehlungen
Könnte die Studie das nun ändern? Theoretisch ja: Wird die Überschätzung berücksichtigt, dürften auch die Fangempfehlungen der Wissenschaft niedriger ausfallen. Und wenn sich die Politiker an diese Empfehlungen halten, dann würden auch die erlaubten Fänge sinken. Die Bestände könnten sich erholen.
Doch Froese bleibt skeptisch, ob das tatsächlich umgesetzt wird. «Kurzfristige nationale Interessen, den Fischern immer sofort höchstmögliche Fänge zu ermöglichen, stehen dem im Weg». Für Froese der Hauptgrund für das schlechte Fischereimanagement weltweit.
Gerade in Europa sehe es darum düster aus: Im Norden werden laut offiziellen Zahlen rund 50 Prozent der Bestände überfischt, im Mittelmeer sogar 80 Prozent.
Es gibt auch Lichtblicke
Andernorts auf der Welt gebe es aber auch hoffnungsvolle Entwicklungen, sagt Froese: Nordamerika etwa sei auf einem guten Weg, seine Bestände nachhaltig zu befischen, sodass sie sich erholen können. Auch in Australien und Neuseeland verbessere sich die Situation. Nun hofft Rainer Froese, dass Europa bald nachzieht.