Vogelgrippe bei Kühen hat es vorher nie gegeben. Doch in den USA sind aktuell rund 100 Kuhherden in 12 Bundesstaaten betroffen. Eigentlich sollten sich Rinder gar nicht mit H5N1 infizieren können. Denn der Krankheitserreger gehört zu den Influenza-A-Viren und befällt Kühe normalerweise nicht. Erkranken sie dennoch an einer Grippe, ist dafür dann ein Influenza-D-Virus verantwortlich.
Das aktuell grassierende Vogelgrippevirus vom Subtyp H5N1 sorgt immer wieder für Überraschungen. So wurden etwa in den USA bei Analysen von Milch aus Supermärkten häufig Bestandteile des Erregers gefunden. Eine Gefahr für den Menschen besteht durch den Konsum dieser Milch aber nicht. Das Virus wird durch die Pasteurisierung inaktiviert und abgetötet. Anders ist es bei nicht behandelter Rohmilch, vor der in Amerika aufgrund der aktuellen Seuche derzeit gewarnt wird .
Infizierte Kühe im Labor
Wie sich neu auch Rinder mit H5N1 anstecken können, untersucht Martin Beer vom deutschen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) mit seinem Team. Mit Schutzanzug und Respiratorhelm arbeiten die Forschenden in einem Biosicherheitsstall der Stufe 3. Dort verfolgen sie bei sechs Milchkühen wissenschaftlich den Krankheitsverlauf.
Bei den untersuchten Tieren löst H5N1 keinen grippetypischen Atemwegsinfekt aus, sondern das Virus befällt vor allem den Euter. Mit der Folge: Rohmilch kann grosse Mengen des Erregers enthalten, der sich vor allem über Melkmaschinen verbreitet.
Ob H5N1 auch nach dem Prozess der Verarbeitung von Rohmilch etwa zu Käse noch infektiös ist, wird jetzt im Hochsicherheitslabor am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) gemeinsam mit Agroscope erforscht. «Derzeit wird der sichere Transport der Milchproben von den Versuchstieren aus Deutschland in die Schweiz vorbereitet», sagt Barbara Wieland vom IVI.
Da sie nicht literweise Milch erhalten würden, könnten sie nur verschiedene Mini-Käsesorten oder kleine Joghurts herstellen. Der Konsum von Rohmilchprodukten in Europa stelle momentan kein gesundheitliches Risiko bezüglich H5N1 dar. Denn das Problem beschränke sich bisher nur auf die USA.
Dennoch wappnen sich einige Länder in der EU bereits mit Humanimpfstoffen. Die EU-Kommission hat sich vor kurzem 665'000 Dosen H5N1-Vakzine der Pharmafirma Seqirus vertraglich gesichert, die auf die aktuelle Situation – ähnlich wie unsere saisonalen Grippe-Impfstoffe – angepasst werden können. Auch die Schweiz verfügt über einen laufenden Reservationsvertrag mit dieser Firma, der im Fall einer Pandemie zum Einsatz kommt. Finnland will dagegen schon jetzt Mitarbeitende und Tierärzte mit einem «Musterimpfstoff» gegen H5N1 impfen.
In den USA haben sich auf Milchkuhfarmen bislang drei Personen infiziert. Sie litten unter milden Symptomen wie Bindehautentzündungen. Denn am Auge – ähnlich wie bei Milchkühen im Euter – kommen Rezeptoren für H5N1 vor. Dagegen befällt das aktuelle Virus etwa bei Katzen verstärkt die Atemwege und auch das Gehirn.
Aufgrund der Seuche dürfen Katzen oder auch Schweine nicht mit kontaminierter Rohmilch gefüttert werden. Denn das H5N1-Virus nutze jede Chance, so Beer, sich zu verändern. Und das Risiko dafür sei besonders gross, wenn im Organismus zeitgleich auch andere Influenzaviren vorhanden seien.