Die Schweiz sieht sich gerne als Weltraumnation. Sie beteiligt sich mit Geld, Personal und Technik an zahlreichen Missionen der Europäischen Weltraumagentur ESA. «Unser» Astronaut Claude Nicollier ist ein Nationalheld, in Payerne könnte bald ein Weltraumhafen entstehen und nun trägt die Schweiz auch noch zum ersten Mal die Hauptverantwortung für eine ESA-Mission. Es ist die Mission Cheops, die Planeten ausserhalb des Sonnensystems untersuchen soll. Sie bringt nicht nur Prestige mit sich, sondern auch Aufträge für die hiesige Industrie.
Zum Beispiel bei der Firma Ruag Space, am Rand von Zürich. Hier haben Ingenieure soeben ein sehr realitätsnahes Modell des Cheops-Satelliten getestet. Auf einem Vibrationstisch haben sie es zünftig geschüttelt, in verschiedene Richtungen und unterschiedlich schnell. So wollten die Ingenieure herausfinden, ob Cheops robust genug ist für den ruckeligen Start per Rakete ins Weltall.
Das Gerät hat den Test bestanden; es ist nichts in die Brüche gegangen. Der Bau des definitiven Satelliten kann also wie geplant weitergehen. Ende 2017 soll Cheops für den Start ins Weltall bereit sein. Dort wird das Teleskop Sterne ins Visier nehmen, um die ein Planet kreist (siehe Box).
«Das Fernziel ist, einen Planeten wie unsere Erde zu entdecken, auf dem es Leben geben könnte», sagt der Astrophysiker Willy Benz. Er leitet die Mission von der Universität Bern aus.
Grosse Ehre, grosser Druck
Cheops ist ein neuer Typ von ESA-Mission, eine sogenannte S-Klasse-Mission. Diese kleineren Missionen dürfen die ESA nur 50 Millionen Euro kosten. Forschungsinstitute und Industrie zahlen noch einmal rund 50 Millionen; insgesamt kostet Cheops also um die 100 Millionen Euro.
Das ist wenig für einen Forschungssatelliten. Die Frage sei nun, sagt Benz, ob man mit einem derart bescheidenen Budget tatsächlich gute Wissenschaft betreiben könne, . Cheops soll das unter Beweis stellen: Liefert das Teleskop gute Daten, dann könnte es weitere S-Klasse-Missonen geben. Wenn nicht, dann wird Cheops ein Prototyp ohne Nachfolger gewesen sein.
Willy Benz und sein Team stehen also ziemlich unter Druck. Alleine sind sie allerdings nicht: Zehn weitere Länder beteiligen sich an der Mission. Die Komponenten des Satelliten werden an ganz verschiedenen Orten gebaut und dann zusammengefügt.
Industrieförderung à la ESA
Das ist typisch, denn in der ESA gilt das Prinzip des geografischen Rückflusses: Jedes Land, das sich finanziell an einer Mission beteiligt, bekommt etwa 85 Prozent des Geldes zurück – in Form von Industrieaufträgen. So ist die Ruag auch zum Schüttel-Auftrag für Cheops gekommen.
Die Idee dahinter: Die europäische Weltraumindustrie soll nicht nur von ein, zwei grossen Firmen dominiert sein. Alle ESA-Partner sollen im eigenen Land Unternehmen beherbergen können. So macht man den Politikern der beteiligten Länder die Raumfahrt schmackhaft, die sehr teuer ist und – natürlicherweise – ein internationales Unterfangen. Die Schweiz alleine könnte eine Mission wie Cheops nie stemmen.
Tricksereien für gutes Geld
Der geografische Rückfluss ist also sinnvoll. Er inspiriert die Unternehmen aber auch zu allerlei Tricks: Immer wieder kaufen Weltraumunternehmen kleinere Firmen in anderen Ländern, um auch dort Zugang zum Geldtopf zu haben.
Die ESA prüft dann jeweils, wie nachhaltig sich die Unternehmen im betreffenden Land engagieren wollen. Manchmal kommt es zu Verwarnungen. Insgesamt sind aber alle Seiten zufrieden mit dem System des geografischen Rückflusses: Die ESA, weil er ihr Akzeptanz verschafft. Die Länder, weil sie Arbeitsplätze sichern können. Und die Industrie, weil sie dank der Aufträge gutes Geld verdient.