«Der Bahnverkehr in der Schweiz hat in den letzten 100 Jahren um das zehnfache zugenommen, die Züge sind schneller und komfortabler geworden und trotzdem hat sich der Energieverbrauch seither halbiert», resümiert Matthias Tuchschmid von der SBB. Wie hat die SBB das geschafft?
Blenden wir zurück in die 1920er-Jahre. Damals ist die Eisenbahn das wichtigste Transportmittel. In der Schweiz wurden damals schon stattliche 23 Mio. Zugkilometer pro Jahr zurückgelegt, mit einem jährlichen Energieverbrauch über 4000 GWh – mit kohlebetriebenen Dampfloks.
Elektrifizierung – Wasserkraft anstatt Kohle
Dann kam die Elektrifizierung der Eisenbahn. Das Hauptmotiv war «die Verwertung der nationalen Wasserkräfte an Stelle der ausländischen Kohle», so formuliert es eine Studienkommission 1912. Die Kohleknappheit im Ersten Weltkrieg gab dann den nötigen Anschub. Es war ein Meilenstein in Sachen Energie-Effizienz: Bereits die ersten Loks, zum Beispiel, die legendären «Krokodilloks», waren deutlich effizienter als die Dampflokomotiven – bereits damals nutzen sie während dem Bremsen die Rückgewinnung des Stroms.
Leichtbau
Die 1950er-Jahre brachten den wirtschaftlichen Aufschwung. Fortschritte in der Stahlherstellung und der Fertigungstechnologie führten zu deutlich leichteren Fahrzeugen, die mit höheren Geschwindigkeiten gefahren werden konnten. Die Loks wogen plötzlich nur noch halb so viel, leisten konnten sie jedoch ein Vielfaches.
Ab 1990 führte eine leistungsfähigere Elektronik zu sogenannten Umrichterfahrzeugen. Der Umrichter ist die Steuereinheit in der Lok, die den Strom effektiv auf die Motoren bringt. Die Antriebsmotoren konnten so optimiert werden und gleichzeitig war auch nochmals eine höhere Strom-Rückgewinnung möglich.
Vernetzung und effizientere Loks
Eine weitere grosse Energiesparrunde löste die Energiekrise nach dem Atomunfall von Fukushima aus. Der Bund beschloss den Ausstieg aus der Atomenergie und bis 2050 klimaneutral zu werden. Die SBB reagierte mit hohen Sparzielen. Nun wurde auch die Bahntechnik auf Effizienz getrimmt: So wurden beispielsweise die Fahrzeuge besser mit der Betriebszentrale digital vernetzt. Dies ermöglicht die «grüne» Welle im Bahnbetrieb. Es kommt seltener zu Stopps vor Rotsignalen und dies ermöglich ein flüssigeres, sparsameres Fahren.
Seit 2010 hat die SBB rund 200 solcher Sparmassnahmen umgesetzt und damit den Stromverbrauch gesenkt. «Seit 2010 fahren wir 15 Prozent mehr Zug und brauchen sechs Prozent weniger Strom», so das Fazit von Matthias Tuchschmid.
Drohende Mangellage
Und jetzt die drohende Mangellage: «In der jetzigen Situation hilft jede Kilowattstunde Strom, die eingespart werden kann», so Tuchschmid. Aber da schon viele Sparmassnahmen umgesetzt wurden und weitere Massnahmen nicht so kurzfristig angegangen werden können, gehen der SBB langsam die Optionen aus.
Den wirklich grossen Hebel hätte sie nur, wenn sie auch das Angebot reduzieren würde. Eine Faustregel besagt: Wenn der Bahnbetrieb um 20 Prozent reduziert wird, spart das 10 Prozent der Energie. Dies könnte in einer Notlage aber nur behördlich angeordnet werden, erläutert der Energieexperte der SBB.