Die Kunst des Vergoldens erreichte im Mittelalter ihren Höhepunkt. Und jene, die sie betrieben, waren äusserst erfinderisch. Denn glänzen sollte vieles an den Heiligenfiguren und Altären der Zeit.
Zwischgold ein glänzender Kompromiss
Doch Blattgold war zu teuer, um es grossflächig aufzutragen. Mittelalterliche Künstler arbeiteten daher häufig mit Zwischgold. Die Bezeichnung passt perfekt. Zwischgold ist nichts Eindeutiges, sondern etwas dazwischen. Es ist eine Folie, die auf der einen Seite aus Gold und auf der andern aus Silber besteht. Darum sei es «zweyisch» oder eben «zwisch», heisst es in einem Wörterbuch aus dem 18. Jahrhundert.
Modernste Technologie durchleuchtet handgefertigtes Nanomaterial
Zwischgold wurde im Mittelalter in unzähligen Schritten und in schweisstreibender Handarbeit hergestellt. Doch wie genau, darüber gibt es keine Aufzeichnungen. Die Handwerker hielten Können und Rezept geheim.
Das Geheimnis dieses mittelalterlichen Nanomaterials haben jetzt Forschende am Paul Scherrer Institut PSI der ETH durchleuchtet. Die Kunsthistorikerin Qing Wu und der Physiker Benjamin Watts nutzten dafür Licht, das entsteht, wenn Elektronen beinahe auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Die Synchrotron Lichtquelle am PSI kann das. Sie produziert Licht, das Einblick in den dreidimensionalen Aufbau unterschiedlichster Materialien ermöglicht.
Plattgeschlagen auf wenige Millionstel Millimeter
Konkret analysierten Wu und Watts zwei kleine Zwischgold-Proben von einer Marienstatue und einem Altar aus dem 15. Jahrhundert, die heute im Schweizer Landesmuseum stehen. Die Röntgen-Analyse am PSI zeigt: Gold und Silber wurden offensichtlich zunächst getrennt behämmert. Von sogenannten Goldschlägern. Von Männern, die mit schweren, in Tierhäute gepackten Hämmern das Metall platt und platter schlugen. Wobei die teure Goldschicht viel dünner werden musste als die Silberschicht.
In einem nächsten Schritt wurden die beiden Metalle dann mit speziellen Schlagwerkzeugen gemeinsam zu einer Folie weiterverarbeitet. So gelang es, die Goldschicht sehr dünn und erstaunlich gleichmässig auf durchschnittlich 30 Nanometer runterzuschlagen, also auf lediglich noch 30 Millionstel eines Millimeters.
Wanderndes Silber: die Hypothek des Zwischgolds
Die Studie der Forschenden am PSI gibt auch Einblick in die dunkle Seite des Zwischgolds. Es glänzt zwar kostengünstig, aber wenig ausdauernd. Das Silber wandert nämlich durch die Goldschicht an die Oberfläche, wo es korrodiert, also angegriffen wird, und einen dunklen Film bildet. Um dies zu verhindern, versiegelten die Zwischgoldhersteller das Material mit Harz oder Leim und anderen organischen Substanzen. Trotz Firnis wandert das Silber und hinterlässt da, wo es mal war, Leerräume zwischen Goldschicht und Kunstwerk. Das macht die Restauration äusserst schwierig.
Immerhin: Im Mittelalter herrschte eine strenge Materialhierarchie. An die Heiligenscheine beispielsweise kam nur das Beste. Was da glänzte und glänzt, ist tatsächlich immer reines Gold.