Das, was die Molekularbiologin Pia Cosma in ihrer Forschung sucht, ist winzig. Ein menschliches Haar ist im Vergleich dazu richtig dick. Darum braucht die Forscherin extrem hochauflösende Mikroskope, um es zu sehen, das sogenannte Chromatin. Vereinfacht gesagt ist Chromatin aufgerollte DNA oder die dreidimensionale Struktur der Chromosomen.
Interessant ist diese Struktur, weil sie nicht bei allen Zellen genau gleich aussieht. In einer Krebszelle etwa ist sie minimal anders als in einer gesunden Zelle. Und: Unter dem Mikroskop werden die winzigen Veränderungen sichtbar. «Da kam uns die Idee, eine künstliche Intelligenz zu trainieren, die diese Unterschiede auf Bildern erkennt und analysiert», erzählt Pia Cosma, die am Center of Genomic Regulation in Barcelona forscht.
Unglaublich präzise und früh
Gesagt, getan. Und es hat funktioniert. «Wir sind von den Resultaten begeistert», sagt Cosma. Ihr neues Tool konnte Krebszellen von normalen Zellen unterscheiden. Aber nicht nur das: Es erkannte auch jene Zellen, die erst eine Stunde zuvor mit einem Herpes-Virus infiziert wurden. Die Infektion veränderte offenbar das Chromatin auch ein klein bisschen.
Sehr schnell und genau sei das KI-Tool gewesen. Es habe kaum Fehler gemacht. Und fürs Training reichten nur wenige Bilder, so die Forscherin. Trotz aller Freude wolle sie aber nicht übertreiben und realistisch bleiben: «Es gibt noch viel zu tun», sagt sie.
Tests mit echten Zellproben von Patientinnen und Patienten etwa. Also nicht nur Zellkulturen aus dem Labor. Herausfinden wollen sie zudem, ob die Methode auch bei anderen Krebsarten als der Leukämie so gut funktioniert und ob auch anderen Viren das Chromatin verändern. Die Forscherin kann sich vorstellen, dass beides zutrifft, aber eben: Getestet und überprüft werden müsse alles noch.
Ein Schritt Richtung Früherkennung
Die Hoffnung, die Pia Cosma hat, ist aber gross: «Wir hoffen, damit dereinst einmal frühe Veränderungen zu erkennen, bevor sich der Krebs tatsächlich entwickelt.» Sie macht ein Beispiel: Sei bei einem Screening eines Patienten unter hundert Zellen genau eine Krebszelle, entdecke man diese mit herkömmlichen Methoden nicht. Wenn man aber jede einzelne Zelle fotografiere, wie sie es tun, dann würde man sie finden – diese eine Zelle, die später eventuell einen Krebs auslösen könnte.
Beim hier untersuchten Krebs, der Leukämie, wäre das theoretisch mit einer Blutprobe möglich. Denn die Leukämiezellen gelangen über das Blut in den ganzen Körper. So könnte man auch besser überwachen, ob jemand einen Rückfall erleide.