Die Idee, mit Licht zu rechnen, verfolgt die Wissenschaft schon eine Weile. Nun hat sie einen extremen Aufschwung erhalten. Der Grund: Der Boom künstlicher Intelligenz – Stichwort ChatGPT, autonomes Fahren oder Bilderkennung.
Dahinter steckt viel Rechenpower, um aus einer riesigen Anzahl von Daten genau die spezifischen Informationen herauszuziehen, die man benötigt.
Langsame Alleskönner
Genau damit hätten heutige Rechner Mühe, sagt Stephan Reitzenstein, Festkörperphysiker an der Technischen Universität Berlin: «Ein elektronischer Rechner ist darauf getrimmt, alle mathematischen Rechnungen auszuführen, die man sich denken kann. Mit grossen Datenmengen und der parallelen Berechnung von grossen Matrizen tut er sich aber schwer.»
Matrizen sind, vereinfacht gesagt, grosse Tabellen mit ganz vielen Zahlen drin, quasi das Hirn der KI. Und um daraus eine gewünschte Information zu erhalten, zum Beispiel wenn man ChatGPT etwas fragt, muss intensiv gerechnet werden – wofür ein konventioneller Rechner viel Zeit und Energie benötigt.
Schneller Spezialist
Anders ein optischer Rechner, wie er jetzt entwickelt wird. Seine Paradedisziplinen sind: grosse Datensätze zu durchforsten und komplizierte Matrizenberechnungen unheimlich schnell und effizient durchzuführen.
Schnell ist ein optischer Rechner, weil die Lichtteilchen mit Lichtgeschwindigkeit durch eine Art Netz flitzen, das sich auf dem Chip befindet, und zwar in einem Schwung. Das heisst, für eine Rechnung braucht es nur einen Durchlauf. Elektronische Chips hingegen, durch die Elektronen fliessen, sind langsamer, weil sie mehrere Schritte zum Rechnen brauchen.
Bei elektronischen Chips muss für jede Rechenoperation Strom fliessen, und Stromfluss bedeutet Wärmeentwicklung und Leistungsverbrauch.
Optische Chips sind energieeffizienter, weil sie fürs Rechnen selbst, keine Energie benötigen. «Im Gegensatz dazu muss bei elektronischen Chips für jede Rechenoperation Strom fliessen, und Stromfluss bedeutet Wärmeentwicklung und Leistungsverbrauch», sagt Reitzenstein.
Darum können herkömmliche Chips pro Joule, also pro Energieeinheit, auch nur eine bestimmte Anzahl Rechenoperationen durchführen. Mehr geht aus physikalischen Gründen einfach nicht. Optische Chips können hingegen dieses Limit überschreiten.
Und wie gut das heute schon funktioniert, zeigt jetzt eine neue Studie aus China. Dort haben Forschende einen optischen Computerchip speziell für KI-Anwendungen entwickelt, mit dem sich klassische Musikstücke komponieren oder komplexe Muster erkennen liessen. Und zwar mit 100-mal weniger Energie als herkömmliche Chips. Eine enorme Verbesserung und gar ein Game-Changer sei das, sagt Reitzenstein.
Ein ganzes Labor voller Ausrüstung
Reif für die Praxis sei die Technologie aber noch nicht. Der Chip braucht nämlich, damit er funktioniert, ein grosses Drumherum: Laser, die Licht erzeugen, Elemente, die Licht ablenken, Detektoren, die es wieder auffangen und so weiter. Der nächste Schritt darum: Handhabbare optische Chips, die man dann mit den üblichen elektronischen Chips kombiniert zu sogenannten hybriden Rechnern – sozusagen das Beste aus beiden Welten.
«Für KI-Anwendungen könnten optische Chips möglicherweise das Mass der Dinge werden in Zukunft», sagt Physiker Reitzenstein. Die Frage sei nicht, ob das komme, sondern eher, wann die Technologie so weit sei.