Auf den ersten Blick verströmt das ETH-Institut für Integrative Biologie musealen Charme. Der Innenhof ist mit Vitrinen und ausgestopften Tieren vollgestellt, im Treppenhaus plätschert ein Stein-Brunnen. Doch wer ETH-Professor Cesare Gessler über die verwinkelten Treppen folgt, steht plötzlich vor einem hochmodernen verglasten Raum mit einer Unmenge kleiner Bäumchen.
Schutz vor Schorf und Feuerbrand
Cesare Gesslers Apfelbäumchen sind nur wenige Dutzend Zentimeter gross – und gentechnisch verändert. Die eingebauten Gene schützen die Bäume vor zwei verheerenden Apfel-Krankheiten: vor Schorf und Feuerbrand.
Der Forscher hat die Bäumchen mit Schorfresistenz auch bereits im Freiland getestet, allerdings nicht in der Schweiz, sondern in den Niederlanden; dort braucht es dafür weniger aufwendige Bewilligungen. Das Resultat: die Pflanzen sind vor Schorf fast vollständig geschützt und benötigen daher massiv weniger Pestizide. Wo vorher etwa zwölf Pestizidanwendungen nötig waren, reichen heute drei bis vier, erzählt der Forscher. Cesare Gesslers Gentech-Äpfel schonen also die Umwelt, zum Beispiel nützliche Insekten, die unter dem üblichen Chemiegrosseinsatz in den Obstplantagen leiden.
Keine herkömmliche Gentechnik
Die Gentechnik, die Cesare Gessler verwendet, ist keine herkömmliche Gentechnik, denn er baut keine artfremden Gene ein, etwa Gene von Bakterien, wie es bei den heute kommerziell angebauten Gentech-Pflanzen üblich ist; zum Beispiel bei Mais, Raps, Soja oder Baumwolle, wie sie in den USA oder anderswo wachsen. Die Gene, die Cesare Gessler in die Apfelbäume einbaut, stammen alle von Wildäpfeln, die widerstandsfähig gegen Krankheiten sind.
Doch braucht es dazu überhaupt Gentechnik? Könnte man die natürlichen Schutz-Gene der Wildäpfel nicht einfach durch normale Züchtung in die Kultur-Äpfel einkreuzen?
Das gings schon, sagt Cesare Gessler, aber nach der Züchtung hätte man keinen Gala-Apfel mehr, denn Neuzüchtungen brächten jedesmal eine andere Apfelsorte hervor: «Die schmecken anders, der Anbau ist anders, der Baum ist anders. Einen Gala kann man nicht einfach mit Resistenz züchten.»
Konsumenten haben Gewohnheiten
Zudem ist es gar nicht so einfach, die Konsumenten und Bauern an neue Sorten zu gewöhnen, besonders wenn es um so beliebte wie Gala geht. Die herkömmliche Züchtung benötigt ausserdem viel Zeit: 20 bis 30 Jahre im Gegensatz zur Gentechnik, die eine neue Sorte in nur zehn Jahren hervorbringen kann.
Trotzdem: Auch die herkömmliche Züchtung ist im Kampf gegen Apfel-Krankheiten erfolgreich. Die Bio-Sorte Topaz etwa ist robust gegenüber Schorf und die Schweizer Neuzüchtung «Ladina» gegen Feuerbrand.
Braucht es also wirklich eine neue Gentech-Debatte, wie sie die Akademien der Wissenschaften lauthals fordern? In ihrem gerade veröffentlichten Bericht preisen sie neben den Vorteilen von gentechnisch veränderten Äpfeln auch jene von Gentech-Kartoffeln und Gentech-Zuckerrüben an.
Die Bauern sind offen
Nein, findet der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes Markus Ritter. Noch gelte das Anbau-Moratorium für kommerzielle Gentech-Pflanzen. Der Forschung gegenüber seien die Schweizer Bauern aber nicht negativ eingestellt. «Wir sind offen und warten die Resultate ab», sagt Markus Ritter.
Sollten die Gentech-Äpfel, Kartoffeln und Zuckerrüben tatsächlich halten, was sie versprechen, könnten diese aus Bauern-Sicht in der Schweiz angebaut werden. Allerdings nur wenn der Konsument es auch will. Und da braucht es wohl noch mehr Überzeugungsarbeit als nur einen neuen Bericht.