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Illustration: Weltraum-Schrott kreist über der Erde
Legende: Wer entsorgt den ganzen Müll? Die mangelnde Regulierung zum Weltraumschrott gefährdet die Raumfahrt. KEYSTONE/SCIENCE PHOTO LIBRARY/CHRIS BUTLER

Goldgräberstimmung im Weltall Rechtsfreier Weltraum: Am Himmel herrscht das Chaos

Private bauen tausende Satelliten, Staaten erlassen eigene Weltraumgesetze: Im All herrscht Goldgräberstimmung. Das sei gefährlich, warnt Weltraumrechtsexperte Stephan Hobe.

SRF: Wem gehört eigentlich das All? Ist das international definiert?

Stephan Hobe: Ja, durchaus. Es gibt verschiedene rechtliche Regelungen wie den Weltraumvertrag von 1967, den bis heute über hundert Staaten unterzeichnet haben. Darin steht, dass alle Nationen das All nutzen und erforschen dürfen.

Zur Person

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Legende: ddp

Stephan Hobe hat den Lehrstuhl für Völkerrecht, Europarecht, europäisches und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Köln inne und leitet das Institut für Luft- und Weltraumrecht. Zudem ist er Mitglied des Direktoriums des International Institute of Space Law und des European Centre for Space Law.

Der Weltraum und die Himmelskörper gehören also der ganzen Menschheit. Es sind Staatengemeinschaftsräume.

Wie verbindlich sind diese Vorgaben?

Das sind völkerrechtliche Regelungen. Staaten haben sie miteinander getroffen und sie haben sich dabei gewisse Verpflichtungen auferlegt.

Die Frage und das Problem bei völkerrechtlichen Regelungen ist aber: Wer sorgt dafür, dass das Vereinbarte eingehalten wird?

Es müsste so etwas wie eine Weltraumpolizei geben. Die gibt es aber nicht. Vielmehr bleibt es den Staaten überlassen, sich selber an die Abmachungen zu halten und andere an die Regeln zu erinnern.

Der Weltraum und die Himmelskörper gehören der ganzen Menschheit.

Wie das Beispiel von Luxemburg zeigt, klappt diese Selbstkontrolle nur mässig. Der Kleinstaat hat kürzlich ein nationales Gesetz geschaffen, um einen allfälligen künftigen Rohstoffabbau auf Asteroiden zu regeln.

Was Luxemburg gemacht hat – wie übrigens vor ein paar Jahren auch die USA – ist ausserordentlich bedenklich. Denn die Himmelskörper stehen nicht nur der gesamten Menschheit zu. Die entsprechende Gesetzgebung muss sich auch international vollziehen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass einige wenige Staaten Alleingänge machen.

Die Amerikaner sind dafür genauso wenig zuständig wie die Luxemburger. Diese zwei Staaten legen nun fest, dass Firmen Asteroidengestein abbauen dürfen, wenn sie eine Lizenz nach amerikanischem oder luxemburgischem Gesetz erwerben. Das ist schlicht völkerrechtswidrig.

Computerillustration: Raumschiff neben einem Asteroiden
Legende: Ein Raumschiff schnappt sich einen Asteroiden: Planetary Resources will im All Rohstoffe abbauen (Illustration). Keystone/AP Photo/Planetary Resources

Bereits haben Firmen wie Deep Space Industries und Planetary Resources in Luxemburg Europa-Niederlassungen eröffnet. So wollen sie künftig leichter an Asteroidenrohstoffe wie Gold und Platin kommen. Muss man diesem Treiben einfach zuschauen?

Direkt verhindern kann man es heute nicht. Aber man kann laut dagegen protestieren und klar sagen: «Das geht so nicht. Wir dürfen nicht zulassen, dass einige wenige Staaten nationale Alleingänge machen!»

Es muss der Weltöffentlichkeit bewusst werden, dass das rechtswidrig ist. Falls tatsächlich einmal eine von Luxemburg lizenzierte Firma auf Asteroidenabbau gehen sollte, könnte man mit guten Chancen vor dem Internationalen Gerichtshof klagen.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei der kommerziellen Raumfahrt?

Ich glaube, die internationale Gemeinschaft steht an einem Scheideweg. Sie muss sich überlegen, ob sie nicht zu umfassenderen Regelungen kommen muss, die sich mit dem Miteinander verschiedener Transporte durch den Weltraum beschäftigen.

Die Internationale Astronautische Akademie diskutiert zurzeit über ein «Space Traffic Management» für die Raumfahrt, analog der Luftfahrtüberwachung. Ich halte das für sehr sinnvoll.

Internationale Astronautische Akademie

Die International Academy of Astronautics (IAA) ist eine internationale Gemeinschaft von Experten. Die Nichtregierungsorganisation fördert die friedliche Entwicklung der Raumfahrt. Stephan Hobe ist Mitglied der Akademie.

Es muss eine Instanz geben, die Kontrolle darüber hat, wann, wo, auf welcher Umlaufbahn Nutzlasten durch den Weltraum transportiert werden. Damit sich Kollisionen vermeiden lassen und das erdnahe Weltall nicht weiter verschmutzt wird.

Der Mensch schadet sich selbst, wenn die Nutzung des Weltraums nicht bald koordiniert abläuft.

Weltraumschrott ist ja schon heute ein Problem – bei gut 1000 Satelliten im Erdorbit. Welche Gefahr sehen Sie hier, wenn Firmen wie OneWeb, Google und andere bald Megakonstellationen mit Tausenden von Internet-Satelliten um die Erde kreisen lassen wollen?

Ganz evidente Gefahren. Das sind ja vergleichsweise billige Satelliten, die in hoher Stückzahl in den Weltraum entlassen werden. Die vergrössern natürlich das Kollisionsrisiko.

Eine Kollision im Weltraum bewirkt ja, dass viele Trümmerteile entstehen, und diese Teile wiederum verursachen neue Kollisionen. Das Risiko, dass der herumfliegende Schrott intakte Satelliten oder die Internationale Raumstation beschädigt, steigt damit exponentiell an.

Illustration: Erde umkreist von unzähligen Satelliten und Weltraum-Schrott
Legende: Bald kein Durchkommen mehr? Über ein Drittel der ausgedienten Satelliten trudelt als Schrott durch den Orbit. Keystone

Fragen, die wir bis heute nicht gelöst haben, stellen sich nun in erneuter Schärfe: Dass wir nämlich noch immer kein Regime für Haftung oder Kollisionsvermeidung geschaffen haben. Ich glaube, das ist derzeit die allergrösste Herausforderung für die Raumfahrt.

Heute werden ja nur rund 60 Prozent aller Satelliten entsorgt, der Rest trudelt am Ende der Betriebsdauer als Schrott durch den Orbit. Wie lange dauert es noch, bis das spürbare Folgen hat?

Wir können – leider – noch eine Reihe von Jahren so weiter machen wie bisher, ohne dass wir selber die Konsequenzen schmerzhaft zu spüren bekommen. Erst die künftigen Generationen werden die Leidtragenden sein.

Im Weltraumausschuss der UNO werden wichtige Probleme wie Weltraumschrott geradezu zwanghaft ausgeblendet.

In vielleicht 50, 75 Jahren könnten sie mit so vielen Schrotteilen in unseren wichtigen Umlaufbahnen konfrontiert sein, dass sich Satelliten und andere Raumgefährte nicht mehr sicher betreiben lassen. Alles, was Satelliten bieten – Fernsehen, Telefon, GPS, Wetter- und Klimainformationen – würde dann wegfallen.

Kurzum: Der Mensch schadet sich selbst, wenn die Nutzung des Weltraums nicht bald koordiniert abläuft.

Eine blockierte Raumfahrt in 50, 75 Jahren – müssten wir da nicht auch breit diskutieren, welche Angebote im Erdorbit wir uns künftig überhaupt noch leisten können oder wollen?

Eine solche Grundsatzdiskussion wäre dringend erforderlich. Aber ich glaube nicht, dass sie von allen Staaten gewollt ist.

In den Diskussionen im Weltraumausschuss der Vereinten Nationen werden wichtige Probleme wie etwa Weltraumschrott geradezu zwanghaft ausgeblendet. Man scheut entsprechende Haftungskonsequenzen.

Wie lange dauert es denn noch, bis sich die Staaten zusammenraufen?

Wenn sich in den nächsten Jahren zum Beispiel gewisse Unfälle im Weltraum ereignen, kann das relativ schnell gehen. Es kann aber auch noch lange dauern.

Ich habe nach wie vor Hoffnung, dass wir in 30 bis 50 Jahren zu einigermassen vernünftigen Regelungen für eine nachhaltige und friedliche Nutzung des Weltalls kommen. Einfach deshalb, weil sie im Interesse aller Staaten liegen.

Das Gespräch führte Anita Vonmont.

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